Process is the Essence of Change

 

Process is the essence of change – it flows along regardless of our attempts to pin it down to fixed structures and objects.

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Der Prozess ist das Wesen des Wandels - er fließt, unabhängig von unseren Versuchen, ihn an feste Strukturen und Objekte zu binden.

Joe Goodbread

Der Leib

Ein Freund pflegte seinen Leib in drei Etagen zu teilen, den Kopf, die Brust und den Unterleib. Und er wünschte öfters, dass sich die Hausleute der obersten und der untersten Etage besser vertragen könnten.

Georg Christoph Lichtenberg

Der Kindheitstraum

Again and again throughout life we are working on the childhood dream, our personal myth. At first the evil one just terrifies us, then it threatens our existence in the form of chronic symptoms and, later, as we join it, it becomes a mysterious ally, which gives us the impetus to live.

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Immer wieder, unser ganzes Leben lang, arbeiten wir am Kindheitstraum, an unserem persönlichen Mythos. Am Anfang erschreckt uns das Böse in ihm ganz einfach, dann bedroht es unsere Existenz in Form von chronischen Symptomen und später, wenn wir uns ihm anschliessen, verwandelt es sich in einen geheimnisvollen Verbündeten, der uns Motivation und Kraft zum Leben gibt.

Arnold Mindell Das Pferd rückwärts reiten

Der Narr

DER NARR

Sie fragen mich, wie ich zum Narren wurde. Es geschah folgendermaßen: Eines Tages, lange bevor viele der Götter geboren waren, erwachte ich aus einem tiefen Schlaf und stellte fest, dass alle meine Masken gestohlen worden waren – die sieben Masken, die ich in sieben Leben gestaltet und getragen habe. Ich lief ohne Maske durch die überfüllten Straßen und schrie: »Diebe, Diebe, die verfluchten Diebe.« Männer und Frauen lachten mich aus, und einige flüchteten aus Angst vor mir in ihre Häuser. Und als ich den Marktplatz erreichte, stand ein Jugendlicher auf einem Hausdach und rief: »Er ist ein Narr«. Ich blickte auf, um ihn zu sehen; die Sonne küsste zum ersten Mal mein eigenes nacktes Gesicht. Zum ersten Mal küsste die Sonne mein eigenes nacktes Gesicht, und meine Seele war von der Liebe zur Sonne entflammt, und ich wollte meine Masken nicht mehr. Und wie in Trance rief ich: »Gesegnet, gesegnet sind die Diebe, die mir meine Masken gestohlen haben.« So wurde ich zu einem Narren. Und ich habe in meinem Wahnsinn sowohl Freiheit als auch Sicherheit gefunden; die Freiheit der Einsamkeit und die Sicherheit, nicht verstanden zu werden, denn diejenigen, die uns verstehen, versklaven in uns auch etwas.

Aber lassen Sie mich nicht zu stolz sein auf meine Sicherheit. Selbst ein Dieb in einem Gefängnis ist sicher vor einem anderen Dieb.

 

Gibran, Khalil Der Narr

The Power of Told Stories

When the great Rabbi Israel Baal Shem-Tov saw misfortune threatening the Jews it was his custom to go into a certain part of the forest to meditate. There he would light a fire, say a special prayer, and the miracle would be accomplished and the misfortune averted.

Later, when his disciple, the celebrated Magid of Mezritch, had occasion, for the same reason, to intercede with heaven, he would go to the same place in the forest and say: “Master of the Universe, listen! I do not know how to light the fire, but I am still able to say the prayer.” And again, the miracle would be accomplished.

Still later, Rabbi Moshe-Leib of Sasov, in order to save his people once more, would go into the forest and say: “I do not know how to light the fire, I do not know the prayer, but I know the place and this must be sufficient”

Then it fell to Rabbi Israel of Rizhyn to overcome misfortune. Sitting in his armchair, his head in his hands, he spoke to God: “I am unable to light the fire and I do not know the prayer; I cannot even find the place in the forest All I can do is to tell the story, and this must be sufficient” And it was sufficient.

God made man because He loves stories.

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Wenn der große Rabbi Israel Baal Shem-Tov sah, dass den Juden Unglück drohte, war es seine Gewohnheit, in einen bestimmten Teil des Waldes zu gehen und zu meditieren. Dort entzündete er ein Feuer, sprach ein besonderes Gebet, und das Wunder wurde vollbracht und das Unglück abgewendet.

Später, als sein Schüler, der berühmte Magid von Mezritch, aus demselben Grund beim Himmel Fürsprache einlegen musste, ging er an denselben Ort im Wald und sprach: "Meister des Universums, höre! Ich weiß nicht, wie ich das Feuer anzünden soll, aber ich kann trotzdem das Gebet sprechen." Und wieder wurde das Wunder vollbracht.

Noch später ging Rabbi Mosche-Leib von Sasow in den Wald, um sein Volk noch einmal zu retten, und sagte: "Ich weiß nicht, wie man das Feuer anzündet, ich kenne das Gebet nicht, aber ich kenne den Ort, und das muss genügen".

Dann fiel es Rabbi Israel von Rischyn zu, das Unglück zu überwinden. In seinem Lehnstuhl sitzend, den Kopf in den Händen, sprach er zu Gott: "Ich kann das Feuer nicht anzünden, ich kenne das Gebet nicht, ich kann nicht einmal den Ort im Wald finden, ich kann nur die Geschichte erzählen, und das muss genügen." Und es genügte.

Gott hat den Menschen geschaffen, weil er Geschichten liebt.

Eli Wiesel The Gates of the Forest trans. Frances Frenaye

The Power of Untold Stories

Untold stories often pass more powerfully from generation to generation than stories that can be recounted.

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Unerzählte Geschichten werden oft stärker von Generation zu Generation weitergegeben als Geschichten, die nacherzählt werden können.

Dan Bar-On

aus: Firestone, Tirzah Wounds into Wisdom

One`s Buried Truth

 

One has to know one's buried truth in order to be able to live one's life.

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Man muss seine vergrabene Wahrheit kennen, um sein Leben leben zu können.

 

Dori Laub

aus: Firestone, Tirzah Wounds into Wisdom

Der Wolf könnte uns dabei helfen.

Ely ist heute 8

Der amerikanische Umwelthistoriker William Cronon hat das Naturbild des urbanen Menschen von heute kritisiert: dieser wünsche sich unberührte, ursprüngliche Wildnis, die, mitsamt der Tiere, die sie bewohnen, zum Gegenpol eines modernen Lebens werde, das seine Unschuld sowieso unrettbar verloren hat. Ein historischer, autonomer Ort, den wir gelegentlich aufsuchen, um uns reinzuwaschen vom Sündenfall der Zivilisation, den wir selbst verursacht haben. Eine bequeme Haltung, findet Cronon, die den Menschen letztlich der Pflicht enthebt, Verantwortung da zu übernehmen, wo die Zerstörung der Umwelt ihren Anfang nimmt: im eigenen Alltag. Er verlangt, sich von dem Dualismus zu trennen, der Natur- und Kulturraum, natürlich und unnatürlich, pur und vom Menschen befleckt einander unvereinbar gegenüberstellt; weil diese Illusion von Wildnis sie nicht retten, sondern noch mehr beschädigen wird. Auch entlegene Naturreservate sind inzwischen von Fürsorge und Management des Menschen abhängig. Und viel öfter findet sich Natur genau da, wo der einer Idee reiner Wildnis anhängende Mensch sie unbeachtet lässt: in einem Kontinuum aus vom Menschen genutzten und naturbelassenen Räumen. Anstatt jeden Gebrauch von vornherein als Missbrauch zu deklarieren, schreibt Cronon, müssen wir einen Mittelweg finden, müssen rücksichtsvolles Nutzen und Nicht-Nutzen in Balance bringen - und die Natur in unserer Reichweite schätzen lernen. Denn sie ist es, die wir bewahren müssen.

Der Wolf wirkt wie ein Botschafter dieser Mahnung. Indem er unseren Lebensraum auch zu seinem erklärt, verlangt er uns genau so einen Mittelweg ab. Wald, Felder, Stausee, Autobahnbrücke: Die Punkte auf Ilka Reinhardts Computer verteilen sich über Menschenorte, die, wie die Wege des Rudels zeigen, zugleich Wolfsorte sind. Wieder unterläuft der Wolf die Trennung in Zivilisation und Wildnis, doch was ihm einmal zum Verhängnis wurde, eröffnet im 21. Jahrhundert Möglichkeiten. Denn der Wolf hat das Zeug, unseren Blick zu verändern. Er kann zeigen, dass das Erlebnis des Anderen, des Staunens, das wir uns von scheinbar unberührter Natur erhoffen, auch ganz in der Nähe zu haben ist. Es passiert etwas mit einer Landschaft, in der Wölfe leben. Ihre unsichtbare Anwesenheit ist wie eine leise Melodie, die die Stimmung verändert. Indem sie ihre Fremdheit und Ungreifbarkeit in den Wald unserer Spaziergänge tragen, machen sie aus ihm einen reicheren, geheimnisvolleren Ort. Einen, der den Menschen spüren lässt, dass hier eine größere Ordnung gilt als die, die er zu seinem Vorteil geschaffen hat; eine, die ihn vom Zentrum an den Rand rückt. Es sieht so aus, als müssten wir dieses Gefühl öfter zulassen, wenn wir eine Zukunft haben wollen. Der Wolf könnte uns dabei helfen.

Petra Ahne Wölfe: Ein Portrait

That’s The Deep Mystery

I want everyone to appreciate the joy and wonder of every single moment of their lives. We should be astonished that we are here when we look around at the exquisite wonder and beauty of everything. I think everyone has a sense of that already. It’s leaning into that more fully. There is a reason every day to celebrate that we’re alive, that we have another day to explore whatever this gift is of being conscious, of being aware, of being aware that we are aware. That’s the deep mystery that I keep talking about. That’s to be celebrated!

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Ich möchte, dass jeder die Freude und das Wunder jedes einzelnen Augenblicks in seinem Leben zu schätzen weiß. Wir sollten erstaunt sein, dass wir hier sind, wenn wir uns umschauen und das exquisite Wunder und die Schönheit von allem sehen. Ich denke, jeder hat bereits ein Gefühl dafür. Es geht darum, sich mehr darauf einzulassen. Es gibt jeden Tag einen Grund zu feiern, dass wir am Leben sind, dass wir einen weiteren Tag haben, um zu erforschen, was auch immer dieses Geschenk des Bewusstseins ist, des Gewahrseins, des Gewahrseins, dass wir gewahr sind. Das ist das tiefe Geheimnis, von dem ich immer wieder spreche. Das muss gefeiert werden!

Roland Griffiths A Psychedelics Pioneer Takes the Ultimate Trip

Die zwei Winter riechen, die in dem alten Laub stecken

Ein Philosoph der frühen Aufklärung, Gottfried Wilhelm Leibniz, hat diesen Zustand in seiner Monadologie schön beschrieben: Wir sind im Wald stets an der Peripherie der Empfindung, wir sind Opfer der kleinen Perzeptionen. Und nehmen so nur in minimalem Maße das wahr, was ein Waldtier im Moment erlebt. Ein Fuchs hört, wenn sich in anderthalb Kilometern Entfernung zwei Feldmäuse um einen Sonnenblumensamen zanken, und er riecht detailliert die zwei Winter, die in dem alten Laub stecken, das vielleicht so alt ist wie er selbst. Und das, während ich auf meinen Waldwegen stets in einem Status des Je ne sais quoi spaziere, in fröhlicher tumber Aufgeregtheit.

Katrin Schumacher Füchse - Ein Portrait

Die Ozeanwiege von Tod und Geburt

Der gleiche Strom des Lebens, der Tag und Nacht durch meine Adern fließt, fließt durch die Welt und tanzt in rhythmischen Maßen.

Es ist das gleiche Leben, das freudvoll durch den Staub der Erde schießt in losen Gräsern und ausbricht in rauschenden Wogen von Blättern und Blumen.

Es ist das gleiche Leben, das in der Ozeanwiege von Tod und Geburt geschaukelt wird wie Ebbe und Flut.

Rabindranath Tagore

Wenn ein Mensch ein Problem hat…

Pfotenabdrücke auf Fixleintuch

Wenn ein Mensch ein Problem hat, ist er immer teilweise verwirrt und festgefahren. Um zu klären, was nicht in Ordnung ist, muss er ein genaueres, d.h. sowohl tieferes als auch facettenreicheres Gefühl für seine Reaktionen und Situationen bekommen... Wir suchen die Art Klärung, die mehr und weiter gehendes Leben und Fühlen mit sich bringt, als es dem Klienten möglich war, solange er feststeckte.

Gene Gendlin

… dass weder der Wolf noch der Berg da zustimmten.

»Wildtiermanagement ist vergleichsweise einfach«, hat ein Mann namens Aldo Leopold vor etwa achtzig Jahren gesagt. »Die Menschen zu managen ist das Schwere.« Der amerikanische Forstwissenschaftler Leopold gilt als der Begründer des Wildtiermanagements, also des Versuchs, die Bedürfnisse wildlebender Tiere mit denen der Menschen in Einklang zu bringen. Was ihn vor allem in den USA bis heute zu einer Ikone des Umweltschutzes macht, sind die Aufsätze, in denen er seinen Blick auf die Natur in poetische, kraftvolle Worte gefasst hat - und es ist kein Zufall, dass im Zentrum seines berühmtesten Textes ein Wolf steht. In Thinking like a mountain beschreibt Leopold, wie er einmal an einem Flussufer auf eine Wölfin und ihre Jungen schoss - er war jung, der Finger am Abzug saß locker und sowieso war er der Meinung, dass Wölfe beseitigt gehören. Als er näher kam, um sein Werk anzusehen, sah er der tödlich verletzten Wölfin in die Augen, in denen ein »wildes grünes Feuer« langsam erlosch. Etwas passierte mit ihm. »Ich war damals jung und schießwütig«, schreibt Leopold. »Ich dachte, weil weniger Wölfe mehr Wild bedeuten, müssten gar keine Wölfe ein Paradies für Jäger bedeuten. Aber nachdem ich das grüne Feuer hatte sterben sehen, spürte ich, dass weder der Wolf noch der Berg da zustimmten.«

Petra Ahle Wölfe - Ein Portrait

Kindheit

Wenn ich nicht überzeugt wäre, daß die Kindheit schon ein Vorspiel des ganzen Lebens ist und bis zu ihrem Abschlusse schon die Hauptzüge der menschlichen Zerwürfnisse im kleinen abspiegele [...], so würde ich mich nicht so weitläufig mit den kleinen Dingen jener Zeit beschäftigen.

Gottfried Keller Der grüne Heinrich 1. Fassung

Grauen im Traum

Ruhen bei der Sphinx Gouache auf Papier, 1992

Wir empfinden kein Grauen, weil eine Sphinx uns bedrückt. Sondern wir träumen eine Sphinx, um das Grauen zu erklären, das wir empfinden.

Samuel Coleridge