A Fantastic Seashell

The search for reason ends at the shore of the known; on the immense expanse beyond it only the sense of the ineffable can glide.

We do not leave the shore of the known in search of adventure or suspense or because of the failure of reason to answer our questions. We sail because our mind is like a fantastic seashell, and when applying our ear to its lips we hear a perpetual murmur from the waves beyond the shore.

Citizens of two realms, we all must sustain a dual allegiance.

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Die Suche nach der Ursache endet am Ufer des Bekannten; über die unermesslichen Weite hinaus kann nur der Sinn für das Unaussprechliche gleiten.

Wir verlassen das Ufer des Bekannten nicht auf der Suche nach Abenteuer oder Spannung oder weil die Vernunft unsere Fragen nicht beantworten kann. Wir segeln, weil unser Geist wie eine phantastische Muschel ist, und wenn wir unser Ohr an ihre Lippen legen, hören wir ein ständiges Rauschen von den Wellen jenseits des Ufers.

Als Bürger zweier Reiche müssen wir alle eine doppelte Loyalität aufrechterhalten.

Abraham Heschel

Behaltet mir Eure Liebe

Catharina Elisabeth Goethe (die von vielen „Frau Rat“ oder „Frau Aja“ genannt wurde - der Spitzname stammt aus dem Volksbuch „Die vier Haimonskinder“, in dem die begütigende und vermittelnde Mutter so heißt) gebar sieben Kinder. Lediglich zwei erreichten das Erwachsenenalter: der älteste, am 28. August 1749 geborene Johann Wolfgang, und die zweitälteste, Cornelia. Sie starb 1777 im Kindbett, ein halbes Jahr vor ihrem 27. Geburtstag.

Im Brief an den Freund Johann Caspar Lavater vom 23. Juni des Jahres, in dem sie von diesem Schicksalsschlag berichtet, zeigt sich eine weitere Eigenschaft der Frau Aja: ihre tiefe Gläubigkeit:

„– mein Hertz war wie zermahlt, aber der Gedancke, ist auch ein Unglück in der Stadt, das der Herr nicht thut hielte mich daß ich dem Schmertz nicht erlag. Ohne den Felsenfesten Glauben an Gott – an den Gott, der die Haare zehlet dem kein Sperling fehlet – der nicht schläfft noch schlummert, der nicht verreißt ist – der den Gedancken meines Hertzens kent ehe er noch da ist – der mich hört ohne daß ich nöthig habe mich mit messern u Pfriemen blutig zu ritzen, der mit einem Wort die Liebe ist – ohne Glauben an den wäre so etwas ohnmöglich auszuhalten.“

Behaltet mir Eure Liebe

Care Of The Soul

The Greek word therapeia refers also to care. The root is dher, which means “carry, support, hold,” and is related to dharma, the Sanskrit meaning “habit” and “custom” as “carrier.” The therapist is one who carries and takes care as does a servant (Greek = theraps, therapon). He is also one to lean upon, hold on to, and be supported by, because dher is also at the root of thronos — throne, seat, chair. Here we strike an etymological root of the analytical relationship. The chair of the therapist is indeed a mighty throne constellating dependency and numinous projections. But the analysand also has his chair, and the analyst is both servant and supporter of the analysand. Both are emotionally involved and the dependence is mutual. However, this dependence is not personal, upon each other. Rather it is a dependence upon the objective psyche which both serve together in the therapeutic process. By carrying, by paying careful attention to and devotedly caring for the psyche, the analyst translates into life the meaning of the word psychotherapy. The psychotherapist is literally the attendant of the soul.

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Das griechische Wort therapeia bedeutet auch "Pflege". Die Wurzel ist dher, was "tragen, stützen, halten" bedeutet, und ist verwandt mit dharma, der Sanskrit-Bedeutung von "Gewohnheit" und "Sitte" als "Träger". Der Therapeut ist jemand, der trägt und sich kümmert wie ein Diener (griechisch = theraps, therapon). Er ist auch jemand, an den man sich anlehnt, an dem man sich festhält und von dem man gestützt wird, denn dher ist auch die Wurzel von thronos - Thron, Sitz, Stuhl. Hier stoßen wir auf eine etymologische Wurzel der analytischen Beziehung. Der Stuhl des Therapeuten ist in der Tat ein mächtiger Thron, der Abhängigkeiten und numinose Projektionen konstelliert. Aber auch der Analysand hat seinen Stuhl, und der Analytiker ist sowohl Diener als auch Unterstützer des Analysanden. Beide sind emotional involviert und die Abhängigkeit ist gegenseitig. Diese Abhängigkeit ist jedoch nicht persönlich, von einander abhängig. Vielmehr ist es eine Abhängigkeit von der objektiven Psyche, der beide gemeinsam im therapeutischen Prozess dienen. Indem der Analytiker die Psyche trägt, ihr sorgfältige Aufmerksamkeit schenkt und sich hingebungsvoll um sie kümmert, setzt er die Bedeutung des Wortes Psychotherapie ins Leben um. Der Psychotherapeut ist buchstäblich der Diener der Seele.

James Hillman Suicide

SOUL

Let me explain this a little more. Just as there are three main powers in fire—heat, light, and fleeting subtlety—so there are three similar powers in the soul's essence: the power of life, of understanding, and of desiring.… At different times the soul brings forth its variety of seeds more or less in profusion.

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Lassen Sie mich dies ein wenig näher erläutern. So wie es drei Hauptkräfte im Feuer gibt - Hitze, Licht und flüchtige Subtilität - so gibt es auch drei ähnliche Kräfte im Wesen der Seele: die Kraft des Lebens, des Verstehens und des Begehrens.... Zu verschiedenen Zeiten bringt die Seele ihre verschiedenen Samen mehr oder weniger reichlich hervor.

Marsilio Ficino
Commentary on Plato's Phaedrus

Es gibt nur Entscheidungen

In einer Welt, wo der Tod der Jäger ist, gibt es keine Zeit für Reue oder Zweifel. Es gibt nur Zeit für Entscheidungen. Welche Entscheidungen, das spielt keine Rolle. Nichts könnte wichtiger oder weniger wichtig sein als alles andere. In einer Welt, wo der Tod der Jäger ist, gibt es keine kleinen oder großen Entscheidungen. Es gibt nur Entscheidungen, die ein Krieger im Angesicht seines unausweichlichen Todes trifft.

Carlos Castaneda
Reise nach Ixtlan

Fuchsgeister sind irgendwo dazwischen

Menschen und Tiere gehören zu unterschiedlichen Arten, Füchse aber leben zwischen Menschen und Tieren. Tote und Lebende wandern auf unterschiedlichen Wegen, Füchse aber wandern zwischen Toten und Lebenden. Götter und Ungeheuer schreiten auf unterschiedlichen Pfaden, Füchse aber gehen zwischen Göttern und Ungeheuern. Die Pfade von Licht und Dunkelheit berühren und kreuzen sich niemals; die Fuchsgeister lauern irgendwo zwischen ihnen. Unsterbliche und Dämonen gehen ihren eigenen Weg – Fuchsgeister sind irgendwo dazwischen.

Ji Yun, Gelehrter zur Zeit der Qing-Dynastie

Schlittenhunde

The many contains the unity of the one without losing the possibilities of the many.

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Das Viele enthält die Einheit des Einen, ohne die Möglichkeiten des Vielen zu verlieren.

Lopez oder C.G. Jung

Because Symptoms lead to Soul

Because symptoms lead to soul, the cure of symptoms may also cure away soul, get rid of just what is beginning to show, at first tortured and crying for help, comfort, and love, but which is the soul in the neurosis trying to make itself heard, trying to impress the stupid and stubborn mind — that impotent mule which insists on going its unchanging obstinate way.

The right reaction to a symptom may as well be a welcoming rather than laments and demands for remedies, for the symptom is the first herald of an awakening psyche which will not tolerate any more abuse.

Through the symptom the psyche demands attention. Attention means attending to, tending, a certain tender care of, as well as waiting, pausing, listening. It takes a span of time and a tension of patience. Precisely what each symptom needs is timess and tender care and attention. Just this same attitude is what the soul needs in order to be felt and heard. So it is often little wonder that it takes a breakdown, an actual illness, for someone to report the most extraordinary experiences of, for instance, a new sense of time, of patience and waiting, and in the language of religious experience, of coming to the center, coming to oneself, letting go and coming home.

The alchemists had an excellent image for the transformation of suffering and symptom into a value of the soul. A goal of the alchemical process was the pearl of great price. The pearl starts off as a bit of grit, a neurotic symptom or complaint, a bothersome irritant in one's secret inside flesh, which no defensive shell can protect oneself from. This is coated over, worked at day in day out, until
the grit one day is a pearl; yet it still must be fished up from the depths and pried loose. Then when the grit is redeemed, it is worn. It must be worn on the warm skin to keep its luster: the redeemed complex which once caused suffering is exposed to public view as a virtue. The esoteric treasure gained through occult work becomes an exoteric splendor.

To get rid of the symptom means to get rid of the chance to gain what may one day be of greatest value, even if at first an unbearable irritant, lowly, and disguised.

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Weil Symptome zur Seele führen, kann die Heilung von Symptomen auch die Seele wegheilen, gerade das wegwerfen, was sich zu zeigen beginnt, was zunächst gequält und nach Hilfe, Trost und Liebe schreit, was aber die Seele in der Neurose ist, die versucht, sich Gehör zu verschaffen, die versucht, den dummen und sturen Verstand zu beeindrucken - diesen impotenten Maulesel, der darauf besteht, seinen unveränderlichen, sturen Weg zu gehen.

Die rechte Reaktion auf ein Symptom kann genauso gut ein Willkommensgruß sein, anstatt Klagen und Forderungen nach Heilmitteln, denn das Symptom ist der erste Vorbote einer erwachenden Psyche, die keinen Missbrauch mehr duldet.

Durch das Symptom fordert die Psyche Aufmerksamkeit. Aufmerksamkeit bedeutet Zuwendung, Pflege, eine gewisse Zärtlichkeit, aber auch Warten, Innehalten, Zuhören. Es braucht eine gewisse Zeitspanne und eine gewisse Geduld. Genau das, was jedes Symptom braucht, ist Zeit und Zuwendung und Aufmerksamkeit. Genau diese Haltung braucht auch die Seele, um wahrgenommen und gehört zu werden. So ist es oft nicht verwunderlich, dass es eines Zusammenbruchs, einer wirklichen Krankheit bedarf, damit jemand von den außergewöhnlichsten Erfahrungen berichtet, z. B. von einem neuen Zeitgefühl, von Geduld und Warten und - in der Sprache der religiösen Erfahrung - von einem Zur-Mitte-Kommen, einem Zu-sich-selbst-Kommen, einem Loslassen und Heimkommen.

Die Alchemisten hatten ein hervorragendes Bild für die Verwandlung von Leiden und Symptomen in einen Wert der Seele. Ein Ziel des alchemistischen Prozesses war die Perle von großem Wert. Die Perle beginnt als ein Stückchen Sand, ein neurotisches Symptom oder eine Beschwerde, ein lästiges Ärgernis im geheimen inneren Fleisch, vor dem man sich mit keiner Abwehrschale schützen kann. Es wird überstrichen, tagein tagaus bearbeitet, bis der Splitter eines Tages eine Perle ist, die aber immer noch aus der Tiefe herausgefischt und herausgelöst werden muss. Dann, wenn der Splitter erlöst ist, wird er getragen. Die Perle muss auf der warmen Haut getragen werden, um ihren Glanz zu bewahren: Der erlöste Komplex, der einst Leiden verursachte, wird der Öffentlichkeit als Tugend vor Augen geführt. Der esoterische Schatz, der durch okkulte Arbeit gewonnen wurde, wird zu einem exoterischen Glanz.

Sich des Symptoms zu entledigen, bedeutet, sich der Chance zu entledigen, das zu erlangen, was eines Tages von größtem Wert sein kann, auch wenn es zunächst ein unerträgliches Ärgernis, niedrig und verschleiert ist.

James Hillman A Blue Fire

Nicht verstehen

 

As rational metaphysics teaches that man becomes all things by understanding them, imaginative metaphysics shows that man becomes all things by not understanding them, for when ... he does not understand he ... becomes them by transforming himself into them.

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Wie die rationale Metaphysik lehrt, dass der Mensch alle Dinge wird, indem er sie versteht, so zeigt die imaginative Metaphysik, dass der Mensch alle Dinge wird, indem er sie nicht versteht, denn wenn ... er nicht versteht, ... wird er sie, indem er sich in sie verwandelt.

Vico New Science

Leben

Wal, Buechli-Holz, 2022

LEBEN

Mit Gedanken
wie Affen

Mit Gefühlen
wie Hunde

Mit Gliedern
wie Pferden

Mit Körpern
webend

wellend

wirbelnd

Wie Schlangen

wie Fische

In strömenden

Wassern

Ein Leben ohne mich

 

EIN LEBEN OHNE MICH

Erinnerst du dich
An ein Leben ohne mich

Als der Tag dich einlud
Mit dem Gurren der Ringeltauben

Als der Abend dir gute Nacht sagte
Mit dem Zirpen der Mauersegler

Als am Morgen auf dem Nachttischchen
In dem smaragdgrünen Fläschchen

Deine Trauer lag und das zerwühlte Laken
Im Bett neben mir

Leer und nackt
Wie eine eben vom Film verlassene

Weisse Leinwand

Wie dieses Lied

WIE DIESES LIED

Hinter dem
geöffneten Fenster

ist soeben ein Vogel vorbei-
gefolgen

Ein ausgedienter Teddybär lebt
seit geraumer Zeit

unter dem vergilbten Foto
seines Zenmeisters

In diesem Augenblick
setzt sich eine Singdrossel

auf den Riss

in der kalkweiss
verputzten Wand

Sie sinnt
nach einem Lied

zum Ende
der Welt

Und wenn sie
dann singt

klingt's
wie dieses Lied