marginalisieren = ins Abseits schieben, zu etwas Unwichtigem, Nebensächlichem machen

Vom Standpunkt der Nicht-Konsensusrealität aus betrachtet, gibt es nur ein Beziehungsproblem: sich selbst kennen lernen. In der Nicht-Konsensusrealität bist du Beziehung, ein Lied über dich und mich, ein Lied, das nach den richtigen Menschen sucht, um seine Strophen zu füllen. Vom Standpunkt der Nicht-Konsensusrealität aus ist der einzige Prozess, der, zusammen zu träumen. Manche nennen diese Sicht Kreativität, andere Erleuchtung oder Liebe.

Dennoch ist Marginalisierung auch Teil des Geistes der Natur. Erwische dich an der Grenze, wenn du die spürende Erfahrung marginalisierst und dir nicht eingestehen willst, dass sie irgendetwas mit dir zu tun hat. Andere in deiner Umgebung zu marginalisieren, schafft Probleme. Dann hast du das Gefühl, dass alles und jeder, Menschen und Objekte, nicht länger mit dir flirten, sondern in dein Leben eindringen - insbesondere, wenn du darauf bestehst, dass sie nicht du selbst sind. Die Klänge, Blicke und Gefühle, die du am Tag marginalisiert hast, hallen als Echos und Träume in der Nacht nach. Alles und jeder, den du unberücksichtigt gelassen hast, kehrt als chronisches Symptom zurück.

Da Marginalisierung unbewusst geschieht, nimmst du im Allgemeinen nur wahr, wie du von anderen marginalisiert wirst. Du weisst, wie es sich anfühlt, übersehen zu werden - es tut weh! Marginalisierung erschafft die Zeit; sie unterdrückt deine der Nicht-Konsensusrealität angehörigen Wahrnehmungen und erschafft die Zukunft aus der Vergangenheit, indem sie dich dazu inspiriert, jene aufzuwecken, die du marginalisiert hast. Marginalisierung bringt dich dazu, von Rache zu träumen.

Da sich die meisten unter uns damit identifizieren, marginalisiert zu sein, scheint die Welt aus Unterdrückern zu bestehen, die scheinbar immer damit durchkommen. Aber in dieser Welt der Konsensusrealität übergeht jeder jeden anderen und versäumt es, die Bedeutung des anderen zu sehen. Als Marginalisierende sind wir alle grundsätzlich unbewusste Unterdrücker. Als Folge des Nichtwahrnehmens unserer eigenen Tendenz, andere zu marginalisieren, scheinen diese jeweils unnötig ärgerlich zu sein, während wir ihnen als Schlafende erscheinen, die aufgeweckt werden müssen.

Deine Tendenz, Ereignisse zu marginalisieren, gründet auf einer subtilen Selektivität, nämlich auf der Annahme, dass du mehr oder weniger bedeutungsvoll bist als das, was du erlebst. Deine Identität ist das Entscheidende, eine fragile Essenz, die du dauernd vor den Menschen und Ereignissen, die du marginalisiert hast, beschützen musst. Marginalisierung ist ein schmerzvoller, aber natürlicher Prozess, der die Zeit vorwärtslaufen lässt. Marginalisierung erschafft das Gefühl der Verschiedenheit und der Unvermeidlichkeit der Geschichte und fordert dich durch den Rachezyklus heraus, zu lernen, was du einst wusstest, nämlich, wie du dich selbst reflektieren und Rollen wechseln kannst, indem du realisierst, dass du dich zwar vom „anderen“ unterscheidest, ihm aber auch gleich bist.

 

From the viewpoint of non-consensus reality (NCR), there is only one relationship problem: getting to know yourself. In NCR, you are relationship, a song about you and me, a song searching for the right people to fill your stanzas. From the NCR viewpoint, the only process is dreaming together. Some call this view creativity, others enlightenment, or love.

Yet marginalization is also part of nature’s mind. Catch yourself at the edge, marginalizing sentient experience that you refuse to admit has anything to do with yourself. Marginalizing others around you makes trouble. Then, you feel that everyone and all things, people and objects, no longer flirt but invade your life—especially when you insist they are not you. The sounds, sights, and feelings you marginalized in the day reverberate as echoes and dreams in the night. Everyone and everything you discounted returns as a chronic problem.

Since marginalizing happens unconsciously, you generally notice only how others marginalize you. You know what it is like to be overlooked—it hurts. Marginalization creates time; it represses your own NCR perceptions and generates the future from the past by inspiring you to awaken those who marginalized you. Marginalization makes you dream of revenge.

Since most of us identify with being marginalized, the world seems full of oppressors who always seem to get away with it. But in this consensus reality (CR) world, everyone passes over everyone else, failing to see the significance of the other. As marginalizers, we are all basically unconscious oppressors. As a result of not noticing our own tendency to marginalize others, they always seem unnecessarily angry, while we seem to them to be sleepers in need of awakening.

Your tendency to marginalize events is based on a subtle selectivity, on the assumption that you are more or less significant than what you experience. Your identity is the all-important thing, a fragile essence you must constantly protect from the people and events you marginalized. Marginalization is a painful but natural process that makes time go forward. It creates the sense of difference and the inevitability of history, and provokes you through the cycle of revenge to learn what you once knew, that is, how to self-reflect and shuffle roles, realizing you are different from and also the same as the “other.”

Arnold Mindell Quantum Mind

Foto: In den 90er Jahren hatte ich eine Katze, die 5 Junge warf. Eines der Jungen hatte die Zeichnung eines Menschen auf der Stirn.

Gaia

Wenn wir die Welt als einen lebenden Organismus betrachten, von dem wir ein Bestandteil sind - nicht dessen Besitzer; nicht dessen Mieter und auch nicht sein Passagier, könnten wir noch eine lange Zeit vor uns haben, und unsere Spezies könnte für ihre „zugewiesene Zeitspanne“ überleben. Es hängt alles alleine von Ihnen und mir ab.

James Lovelock Das Gaia-Prinzip

Stell dir vor: Ton. Klang.

Stell dir vor: Ton. Klang. Stell dir vor: ein Universum voller Klang, aber nicht manifestiert. Und dann stell dir vor: eine Flöte. Ein kleines Instrument, ein kleiner Tunnel aus Holz, mit einigen kleinen Löchern versehen. Eine ungeheu­erliche Begrenzung, verglichen mit dem unendlichen Universum von nicht manifestiertem Ton. Aber das ganze Universum braucht diese kleine Flöte mit diesen wenigen Löchern, um darauf eine Melodie spielen zu können! Die Flöte ist dein Körper. Die Löcher sind deine Chakren. Die Flöte ist eng. Sie ist schwer, sie ist starr. Aber sie ist notwendig und mehr als notwendig - sie erzeugt eine wunderschöne Melodie, einen wundervollen Klang.

Safi Nidiaye Neues Wissen, neues Denken

Etüde

ETÜDE

Wenn sie im Herzen
alte Verse
sagen

Und Rilksche
`Lass die Winde los`
und so

Wenn Vogelzüge Eichs
Verzweiflung
tragen

Und Villons Sommerwind
die Bäume
floh

Dann bläst der
tote Pan die
Herbstetüde

Und Nebelwände
sind Belsazars
Wand

Die Hunde ahnen Schnee
und schauern
prüde

Und die in Häusern
wohnen fürchten
Brand

Gerhard Meier Das Gras grünt (1964)

Körpersymptome sind nicht nur Probleme, die gelöst werden müssen.

Körpersymptome sind nicht nur Probleme, die gelöst werden müssen. Chronische Symptome sind Koans - anscheinend nicht zu beantwortende Fragen, die der Erweiterung des Bewusstseins dienen. Viele solcher Symptome machen es erforderlich, dass wir unser Alltagsdenken fallen lassen und unsere Bewusstheit gebrauchen, um die Kraft der Stille in unserem Körper wahrzunehmen.

Arnold Mindell Quantengeist und Heilung

Das Leben

Das Leben ist oft
schwer zu ertragen

Mit all diesen geglückten
und unglücklichen Begegnungen

Müssen wir doch vom Sinnlosen
den Sinn los werden

Wie vom Baum
den Apfel

Von der Lerche
das Lied

Vom Traum
die Deutung

Und vom Ozean
die Wassertropfen

Fast reglos

FAST REGLOS

Verwaiste Hunde
harren an
Fenstern

An den Kranen der Häfen
hängen die Güter
der Welt

Nur vom Baum
der Erkenntnis fällt
die verbotene Frucht
in die Binsen

Gerhard Meier Das Gras grünt (1964)

Gib mir Hund, Hunde, Wölfe, damit ich ihnen diene, sie preise, dankbar vor ihnen knie

Give me dog, dogs, wolves, to serve, praise, kneel
in thanks. Bring me torn by sin,
stuffed with loot,
bring me in their wild midst, in the spiked ring
of white teeth, sharp fangs, wet mouths, cast me hard
and down. I am not food, the calf, the ewe,
I am the man to be sent to love, but
clawed first, cleansed first, taught to fight,
to lose, save
my skin, my stained skin, my own old soft shell.

1961

Gib mir Hund, Hunde, Wölfe, damit ich ihnen diene, sie preise,
dankbar vor ihnen knie. Bring mich hin, zerquält von Sünde,
gestopft mit Geld,
bring mich in ihre wilde Mitte, in den stacheligen Kreis
weisser Zähne, scharfer Fänge, nasser Mäuler, wirf mich hart
zu Boden. Ich bin nicht Frass, das Kalb, das Lamm,
ich bin der Mann, den man ausschickt zum Lieben, doch zuerst
muss ich zerkratzt, zuerst gereinigt werden, lernen zu kämpfen,
zu verlieren, meine Haut
zu retten, meine befleckte Haut, meine eigene alte weiche Hülle.

1961

© Leonard Cohen Parasites of Heaven

Bild:  Hundeherz und Wolfsgesang, Kynos-Verlag

Wenn die Welt sichtbar wird als Welt und nicht als die Welt des Ichs

Fünfundzwanzig Jahre später habe ich noch mehrere solcher Weltgefühlerlebnisse gehabt, aber keines ist so intensiv gewesen wie dieses erste, und im Unterschied zu ihm wurden die späteren von Bildern der Welt ausgelöst, nicht von der Welt selbst. Das ist nicht weiter verwunderlich, denn dieses erste Weltgefühl enthielt zwei unterschiedliche, in ihre jeweilige Richtung ziehende Größen. Es ging zum einen um eine Präsenz im Augenblick, im Hier und Jetzt, das sich in seiner wahren Form zeigte, ohne Vergangenheit oder Zukunft, während es zum anderen um das Gegenteil ging, also um Abstand und darum, sich außerhalb von etwas zu befinden und es als abgetrennt zu betrachten, und folglich kein Teil davon zu sein. Und das, die Gleichzeitigkeit von Präsenz im Augenblick und Abstand von der Welt, ist der Ort der Kunst.

Das meditativ und religiös gefärbte Erlebnis des Jetzt, diese ungeheure Konzentration auf den Augenblick, die enorme Wellen von Verbundenheitsgefühlen mit der Welt auslöst, und vielleicht nichts weiter sagt als »ich existiere«, ist nur möglich, wenn die Welt sichtbar wird als Welt und nicht als die Welt des Ichs, und das tut sie nur, wenn dieses Ich außerhalb von ihr steht. In ein und derselben Bewegung entfernt die Kunst uns von der Welt und führt uns näher zu ihr heran, zu dieser himmelumspannten und sich langsam bewegenden Materie, aus der auch unsere Träume sind.

Karl Ove Knausgard Das Amerika der Seele

Zeichnung: Tagebuch, 25.4.11

Wenn aus Sehnen Sehen wird

WENN AUS SEHNEN SEHEN WIRD

Wenn aus Sehen Sehnen wird
sehne ich mich
nach dem Sehnen in deinen Lenden
sehne mich
von deinen Lippen
die Schneeflocken zu lesen
und über den Rand der Welt zu schauen
in das blaue Land deiner Trauer

Wenn aus Sehen Sehnen wird
sehne ich mich
nach dem Singen des Novemberwinds
sehne mich
das Unzerstörbare
in der Kerzenflamme zu sehen
und im Morgengrauen
das Lied der Amsel zu verstehen

Wenn aus Sehnen Sehen wird
sehe ich
wie Autisten
die Neuronen zählen in deinem Hirn
sehe die Andern in Gefängnissen aus Herzschlägen
ihre Herzschläge suchen
und sehe Hunde
in ihren Herzen ruhen

Wenn aus Sehnen Sehen wird
sehe ich
rote Hängematten
wie sie schweigen im Wind
sehe Liebende
sich verlieren in ihren Haaren
und Engel
sich in Kirchen paaren

Wenn aus Sehnen Sehen wird
sehe ich
Blumen brennen und Bäume stehen
höre Herzen schlagen
im vergessenen KZ von Halle
und sehe
das letzte Blatt
vom Baum der Erkenntnis fallen