Der Körper will träumen. Er muss Stress vermindern, aber auch Beschwerden erzeugen. Er möchte an der Grenze zum Unbekannten leben und wird schwach, wenn er nur beschützt wird oder einfach nur „gesund“ ist. Der Traumkörper braucht mehr als Wohlbefinden; er braucht Herausforderung, Risiko, persönliche Macht und Freiheit. Ja, er muss sogar die Gefahr suchen, um er selbst werden zu können. Der Traumkörper wird niemals nur durch gesunde Lebensführung heil werden, denn er braucht das Unheimliche durch Träumen im Grenzbereich. Don Juan drückt es dramatisch aus, wenn er sagt, der Körper suche das Grauen und die Dunkelheit, da er durch diese Elemente persönliche Macht gewinne.
Unser Körper befindet sich auf einer schöpferischen Reise. In unseren Phantasien, in Träumen und in der Wirklichkeit kehren wir immer wieder zu magischen Orten, Augenblicken und Lehrern zurück, die uns Zugang zur Macht verschafft haben. Wir erinnern uns an Probleme und Verletzungen und experimentieren im Traum mit der Ekstase, nicht nur, um Knoten unserer persönlichen Entwicklung zu lösen, sondern auch, um nach schwieriger werdenden Aufgaben und Erfahrungen Ausschau zu halten. Die Fähigkeit, wir selbst zu sein, erfordert mehr als Selbsterkenntnis; sie ist eine Sache von Liebe und Kampf, von Fehlschlägen und Sich-wieder-Aufrichten.
So kehren wir nach mächtigen inneren Erfahrungen nach Hause zurück, nicht nur aus Sentimentalität, sondern weil dieses alltägliche Leben eine Wildnis ist, genauso wie der dunkle Wald. Heute muss der Schamanismus sich mit einer brennenden Welt befassen, mit einem riesenhaften heissen Gewächshaus, unruhigen Demokratien und unmöglichen Beziehungen. Diese Welt ist Teil unseres Pfades mit Herz, und wir alle streben nach Transformation. Die Rückkehr zur alltäglichen Welt verbindet uns nicht nur wieder mit dem, was wir zurückgelassen haben, sondern sie erinnert uns auch an das, was langweilig und schmerzhaft war und wirft uns in einen Konflikt auf Leben und Tod: in der Stadt mit dem Nagual zu leben.
Unser Zuhause fordert uns dazu heraus, unsere Visionen im alltäglichen Leben zu verwirklichen. Da unsere Erfahrungen uns jedoch in Konflikt mit dem Leben der anderen bringen könnten, müssen sich alle verändern. Dadurch, dass wir uns verändern, werden wir umgekehrt auch den Schamanismus verwandeln, denn sein bisheriger Rahmen existiert nicht mehr. Ihn zu vergessen, würde uns auch nicht weiterbringen, da die Psychologie und Medizin ohne ihre alte Schwester eindimensional würden. Der Schamanismus wird deshalb bei der Umgestaltung der helfenden Berufe eine wichtige Rolle zu spielen haben.
Arnold Mindell The Shamans Body