Gefühllos dem Schmerz gegenüber

Da wir Zeuginnen und Zeugen öffentlichen Missbrauchs sind, ist jeder einzelne von uns schuldig, die »kriminellen« Handlungen der »anderen« zu provozieren. Es bedarf fast heroischer Anstrengungen eines einzelnen Zeugen, aufzustehen und zu protestieren. Bei einem Frauenkongress für Rechtegleichheit im Jahre 1851 hörte eine schwarze Frau zu, die in die Sklaverei hineingeboren war, während Männer die Diskussion dominierten. Ihr Name war Sojourner Truth. Schliesslich erhob sie sich und sprach die inzwischen berühmt gewordenen Worte:

»Der Mann da drüben sagt, dass Frauen in Kutschen geholfen werden müsste und man sie über Gräben tragen müsse. Niemand hilft mir je in Kutschen oder über schlammige Pfützen oder gibt mir irgendeinen besten Platz. Und bin ich keine Frau?
Schauen Sie meinen Arm an. Ich habe gepflügt und gesät und die Ernte eingebracht, und kein Mann war stärker als ich!
Und bin ich keine Frau? Ich würde soviel arbeiten wie ein Mann und soviel essen wie ein Mann, wenn ich es kriegen könnte, und auch die Peitsche ertragen. Und bin ich keine Frau?
Ich habe dreizehn Kinder geboren und mit ansehen müssen, wie die meisten von ihnen in die Sklaverei verkauft wurden, und als ich aufschrie in meinem Mutterschmerz, hat keiner, ausser Jesus, mich gehört. Und bin ich keine Frau?«

Wer sollte ihr antworten? Wenn du es nicht tust, siehst du öffentlichen Missbrauch mit an und hilfst, ihn durch Schweigen zu vermehren. Sojourner Truth sprach für schwarze Amerikanerinnen und Amerikaner, für Frauen und alle Menschen, die leiden, weil sie behandelt werden, als hätten sie keine Rechte und keinen Wert. Wir anderen sind gefühllos unserem Schmerz und dem Schmerz anderer gegenüber. Wir stehen nicht mehr auf und beschweren uns. Wenn die Majorität Nutzen zieht aus dem Missbrauch anderer, wird der Missbrauch chronisch und systematisch. Rassismus, Antisemitismus, Sexismus und Homophobie sind keine Zufälle; sie sind verdeckte öffentliche Politik.

Arnold Mindell Mitten im Feuer

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