Leonard Cohen 21.9.1934 – 7.11.2016

THE FLY

In his black armour
the house-fly marched the field
of Freia`s sleeping thighs
undisturbed by the soft hand
which vaguely moved
to end his exercise.

And it ruined my day -
this fly which never planned
to charm her or to please
should walk boldly on that ground
I tried so hard
to lay my trembling knees.

DIE FLIEGE

In ihrem schwarzen Panzer
marschierte die Hausfliege über die Fläche
von Freias schlafenden Schenkeln,
unbeeindruckt von der weichen Hand,
die vage dazu ansetzte
dieser Leibesübung ein Ende zu machen.

Und es ruinierte mir meinen Tag,
dass diese Fliege, die nie die Absicht hatte
sie zu umwerben oder ihr zu gefallen,
so kühn einherging auf jenem Grund,
in den ich so sehr versuchte
meine zitternden Knie zu betten.

Gedicht © Leonard Cohen, aus: Christof Graf Leonard Cohen - Titan der Worte

Bild: © Leonard Cohen Unified Heart

Der Poltergeist

Vor einigen Jahren, als ich in der Schweiz arbeitete, war ich darüber erstaunt, wie Integration ein parapsychologisches Problem löste. Eine Familie brachte ihre zwölf Jahre alte Tochter zu mir, weil sie regelmäßig von einem Poltergeist Besuch erhielt, der gegen das Wohnzimmerfenster polterte, sobald sich die Familie zum Abendessen an den Tisch setzte. Die Familie bat mich um Hilfe. Alle bestätigten, welchen Lärm der Poltergeist machte. Sie hatten Angst vor dem Gespenst und sagten, es poltere nur gegen das Fenster, wenn die Zwölfjährige anwesend sei.

Ich bat das Mädchen, das bis zu dem Moment sehr still gewesen war, ein Spiel mit mir zu spielen. Ich schlug ihr vor, Krach zu machen und auf den Boden meiner Praxis zu hämmern. Zunächst war sie schüchtern, aber nachdem sie ein wenig Krach gemacht und sich in meiner Praxis vergnügt hatte, sagte sie, das würde sie nun auch zuhause versuchen. Ich bat sie, auf den Tisch zu Hause zu hämmern und sich dabei laut zu äußern, insbesondere dann, wenn der Poltergeist in der Nähe sei.

Das Mädchen folgte meinen Vorschlägen und „integrierte“ den Poltergeist. Sie reflektierte sein Verhalten nicht nur in meiner Praxis, sondern auch zuhause. Zum Erstaunen ihrer Familie wurde sie beim Abendessen ziemlich rüpelhaft, anstatt das stille Kind zu bleiben, das sie bis dahin gewesen war. Die ansonsten ruhige Familie war jedoch von dem lärmenden Mädchen begeistert, da der Poltergeist verschwand, sobald sie beim Abendessen auf den Tisch hämmerte. Er kehrte nie wieder zurück.

Was war geschehen? Man könnte sagen, dass der Poltergeist einer Wellenfunktion ähnlich ist, das heißt, er ist teilweise real - alle haben ihn gehört - und teilweise imaginär, da er nicht fotografiert werden konnte. Er war für jene Familie wie eine komplexe Zahl, eine der Nicht-Konsensusrealität angehörige Realität. Einer Wellenfunktion ähnlich kollabierte der Poltergeist, als er von dem auf den Familientisch hämmernden Mädchen reflektiert wurde.

Von einem Standpunkt aus betrachtet, könnte man sagen, dass das Mädchen den Poltergeist integrierte, indem es ihm einen bestimmten und dauerhaften Ort in ihrem eigenen Verhalten gab. Davor war sein Ort, sein Zuhause, unbekannt. Bevor die Zwölfjährige das Poltern übernahm, sagte die Familie, befand er sich irgendwo in der Atmosphäre ihres Hauses.

Von einem anderen Standpunkt aus betrachtet, träumte das Mädchen den Poltergeist auf. In gewisser Hinsicht provozierte sie die Natur, indem sie so ruhig war. Oder vielleicht hatte sie mit ihm geflirtet, ohne irgendjemandem davon zu erzählen. Eine weitere Erklärung lautet, dass der Poltergeist, wie die Wellenfunktion, ein Aspekt ihres Träumens war, ein Teil ihrer gesamten Umgebung in Mitteleuropa und selbstverständlich auch Teil meiner Psychologie.

Alle diese Erklärungen sind theoretisch äquivalent, da wir nicht überprüfen können, welche die einzig richtige ist. Das Mädchen würde sagen, dass ein Teil von ihr auf den Poltergeist projiziert wurde, ein lärmender Teil, den sie sich im Alltag nicht auszuleben getraute.

Man könnte aber ebenso gut argumentieren, dass der Poltergeist überhaupt nicht zu dem Mädchen gehörte, sondern zu ihrer gesamten Familie. Sie war einfach die „identifizierte Patientin“ der Familie, die als Einheit ein Problem damit hatte, laut zu sein. Andere Schulen der Psychologie oder der Parapsychologie werden andere Theorien darüber haben, was geschah. Manche werden sagen, dass sie ihre Sexualität unterdrückt habe oder dass ein Archetyp konstelliert gewesen sei oder dass ein außerirdisches Wesen von einem anderen Planeten angekommen oder ein lange verstorbener Geist ins Leben zurückgekehrt sei.

Alle diese Interpretationen sind den Interpretationen von virtuellen Teilchen in der Physik ähnlich. Abhängig vom Bewusstseinszustand der beteiligten Menschen können alle diese Interpretationen nützlich sein. Was das Ereignis des Poltergeistes selbst betrifft, sind alle Interpretationen äquivalent und nicht voneinander zu unterscheiden. Man könnte sagen, dass das Ereignis des Poltergeistes viele verschiedene Seiten hatte und dass die Sicht einer jeden Seite vom Standpunkt der Konsensusrealität aus äquivalent ist, da jede zum schließlichen Kollaps der Wellenfunktion führt, zum Verschwinden des Poltergeistes oder zu dessen Integration. Jede Sichtweise ist wertvoll und jede ist vom finalen Standpunkt aus betrachtet äquivalent.

Antworten auf Fragen wie diejenigen, wie oder warum das Poltern gegen das Fenster ohne Wind und bekannte Ursachen erfolgen konnte und warum es aufhörte, nachdem das Mädchen es selbst übernahm, können nicht überprüft werden. Da die Konsensusrealität keine Mittel besitzt, die der Nicht-Konsensusrealität angehörige Erfahrung zu messen, kann ein Beobachter in der Konsensusrealität dies Glück nennen, obgleich eine Schamanin oder Therapeutin davon sprechen könnte, spirituelle Kräfte angezapft zu haben.

Hier sehen wir den Unterschied und die Ähnlichkeit zwischen Integration und Beobachtung. Die beiden Konzepte sind insofern ähnlich, als sie eine Tendenz in einen psychologischen oder physikalischen Fakt kollabieren lassen. Aber dennoch sind sie auch verschieden. Im Falle der Integration greift der Beobachter der Nicht-Konsensusrealität angehörige Tendenzen auf und wird dazu. Alle traumähnlichen Ereignisse werden potentiell bedeutungsvoll. Im Falle der Physik besitzen der Nicht-Konsensusrealität angehörige Ereignisse keine Bedeutung, da Bedeutung eine der Konsensusrealität angehörige Eigenschaft ist und Beobachter nicht versuchen, einen psychologischen Nutzen aus dem zu ziehen, was sie sehen. Stattdessen marginalisieren sie die Gefühle und persönlichen Erfahrungen, die mit ihren Beobachtungen einhergehen.

Beim Kollaps der Wellenfunktion und bei der Integration von flirtendem, traumähnlichem Material sehen wir, wie Psychologie und Physik schließlich zu einer einheitlichen Wissenschaft werden können. Pauli (Physiker und Nobelpreisträger zur Zeit C.G.Jungs) hoffte auf eine solche Vereinigung und sagte: „Es wäre am befriedigendsten, wenn Physik und Psyche (Materie und Geist) als komplementäre Aspekte derselben Realität angesehen würden.“ In der Tat liefert uns unsere Diskussion jener Mathematik, welche die Realitäten der Nicht-Konsensusrealität beschreibt, einen Hinweis darauf, wie die miteinander geteilte Realität sein muss. Der gemeinsame Boden von Physik und Psychologie ist die präverbale, der Nicht-Konsensusrealität angehörige Realität des Träumens, die in der Mathematik der Physik in Form von komplexen Zahlen und in der Psychologie in Form von traumähnlichen und mythischen Figuren zum Ausdruck kommt. Um Paulis Worte zu gebrauchen, „Physik und Psyche“ sind „komplementäre Aspekte derselben Realität“.

Was in der Konsensusrealität Psyche oder Materie zu sein scheint, ist in der Nicht-Konsensusrealität nicht voneinander zu unterscheiden. Ob Ereignisse materiell oder psychologisch, Sie oder ich, Objekt und Beobachter, persönlich, kollektiv, bedeutungsvoll oder bedeutungslos sind, ist eine Sache der Perspektive.

Während auf die Konsensusrealität bezogene Beobachter der offenkundigen Nichtlokalität und dem symmetrischen Verhalten der Nicht-Konsensusrealität gegenüber entweder ehrfürchtig oder misstrauisch bleiben, wissen sowohl der traditionelle schamanistische Krieger als auch der moderne Schamane auf dem Weg zur Selbsterkenntnis, dass der Zweck der Existenz darin besteht, über die Realität des Alltagslebens hinauszugelangen, indem man in der Welt des Träumens lebt und sich durch sie hindurchbewegt.

Das Mädchen in der Geschichte vom Poltergeist demonstriert den grundlegenden Unterschied zwischen Physik und Schamanismus. In der Physik ebenso wie im Alltagsleben verharren Beobachter in der Konsensusrealität und blicken durch die Brille der Konsensusrealität auf die träumende Welt, in unserem Fall den Poltergeist. Im Schamanismus hält der Krieger „auf dem Weg der Selbsterkenntnis“ „die Welt an“, das heißt, er tritt aus der Konsensusrealität heraus, um das Träumen zu untersuchen.

Obgleich das Heraustreten aus der Zeit eine Spekulation in der heutigen Physik darstellt, wird die Wissenschaft von morgen anders sein. Das Träumen wird als der Hintergrundprozess des Universums betrachtet werden, als ein alter schamanistischer Weg. In der neu entstehenden Weltsicht wird die moderne Schamanin fähig sein, sich über die sie lähmende Identifikation durch die Konsensusrealität hinauszubewegen. Soweit es Beobachter in der Konsensusrealität betrifft, wird sie zu einem unvorhersehbaren Geist, einem rätselhaften fühlenden Wesen, einem Teil eines symmetrischen Universums, in dem Raum und Zeit und die Konsensusrealität nicht so wichtig sind, wie die unmittelbare, direkte Erfahrung.

Die moderne Schamanin tritt in das Träumen ein, begegnet Poltergeistern und was auch immer sich ihr vorstellt, wechselt die Form und wird dazu. Mit der Zeit transformiert sich ihre Identität als ein gewöhnlicher Mensch, während sie erkennt, dass sie Bewusstsein ist, eine nichtlokale Wesenheit, die Beobachter in der Konsensusrealität nicht länger verstehen können. Während sie sich von den Konzepten der Lokalität und der Zeit befreit, binden sie die der Konsensusrealität angehörigen Sichtweisen dessen, was es heißt, ein Mensch zu sein, nicht länger. Für sie sind die Mathematik und die Symmetrieprinzipien der Physik nur noch eine blasse Beschreibung der Erfahrung ihres gesamten Selbst. Für sie scheinen psychologische Erklärungen im Vergleich mit der farbenfrohen Erfahrung des Träumens blass zu sein.

Arnold Mindell Quantum Mind

Wenn du mit den Tieren sprichst

Wenn du mit den Tieren sprichst, werden sie mit dir sprechen, und ihr werdet euch kennen lernen. Wenn du nicht mit den Tieren sprichst, dann werdet ihr euch nicht kennen lernen. Was du nicht kennst, wirst du fürchten. Was du fürchtest, wirst du zerstören.

Häuptling Dan George

Ein Novembertag

Es ist heut ein Tag
der schmeckt
nach Regenwürmer

Ein Novembertag
ich gehe
es regnet

Meine Schuhe
zertreten
die Regentropfen

Ein leichter Wind
kommt auf
und geht mit mir

Er sei mein Freund
sagt er
und raubt mir

Von den Lippen
den Geschmack
deiner Liebe

Doch an die Trauer
in meinem Herzen
schafft er`s nicht

Propheten des Herzens

Ein Hund bellt die Welt an
Im Himmel kreisen die Krähen

Und in einem Augenblick dazwischen

Überbrückt ein Regenbogen
Die Landschaften unserer Seelen

Dein Geist sitzt
in einer alten Weinflasche

Und schaukelt
durch den Ozean des Schlafes

In dieser lauen Nacht
habe ich meine Liebesabbitte
auf einem Zettel verfasst

Die Asche vom Streit gestern Abend
hastet noch über den Küchentisch

Gejagt vom Atem der Morgendämmerung
der durch das gekippte Küchenfenster huscht
wie ein Dieb

Daneben verweigert
die fristverlängerte Steuererklärung
auch nach Ablauf der Frist
unausgefüllt ihren Dienst

Und erhellt als unantastbare
Wahrheit die Welt

Wie das weisse Licht

Das den Sterbenden
auf der anderen Seite
empfängt

Am Himmel sind die Gestirne längst verblasst
die im Schmerz der Nacht hingen
wie befreite Gehirne

Und auf dem Gehsteig der Quartierstrasse
wartet ein ausrangiertes Stoffkanapee
auf die Müllwerker

Oder auf ein altes Paar
das sich darin gemütlich macht

Um sein Schicksal zu betrachten

Dem es ein Leben lang
nur nachgestolpert

O gib mir
deine Geschichte
ins Ohr

Damit du erkennst
dass du sie nicht bist

Und sag mir
wem der Gesang der Amsel gehört
wem das Lallen des Betrunkenen

Und wem der Schrei des Sterbenden
das jeden Morgen mein Erwachen begleitet

Hundert Hunde waren meine Gäste zur Nacht
und haben mit mir gejagt
den Grossen Traum

Und nun studiere ich die Wetterkarte deiner Seele
um dich wieder herauszuholen
aus deinen vergeblichen Versuchen
dich von deiner Schuld zu befreien

Du weisst
ich liebe dich

Weshalb willst du es nur
immer wieder wissen?

Liebe ist dieses Eine im Leben
das ich noch nie hab loslassen können

Alle Versuche waren nutzlos
und auch das Loslassen
des Loslassens vergebens

Und jetzt warte ich mit dir
ganz nah
an deiner glühenden Seite

Bis du mir die kühlfeuchte Nase eines Hundes
ans Ohr schenkst
oder den Moschusgeruch seiner Pfote
in die Nase

Als gäbe es keine grösseren Gabe
in diesem irrsinnigen Leben

Die Welt bräche
in schallendes Gelächter aus

Die Sterne am Himmel wären
meine versteinerten Fingerabdrücke

Die ich überall hab hingetastet
um deinen Körper zu finden

So unglaublich nah meinem

Mein müdes Beten würde erhört
und meine Geburtsschreie an einen Gott
der doch irgendwo zu begreifen sein müsste

In diesem leeren Licht

Mit blossen Händen nähmen wir
die Taube vom Himmel

Mit dem Schamhaar des Todes
im Schnabel

Und höben uns die Augen aus

Und fielen in die Blindheit der Liebe

Durch unauslotbare Brunnen
in die jerusalemischen Landschaften der Seele

Wo Berge aus Tatsachen gebaut
und Ebenen nichts weiteres als der Fall sind

Wären unfähig
etwas anderes zu tun

Als der Lehrrede des Lebens
zu lauschen

Sähen die Welt allabendlich
in einem lodernden Eisenbahnzug
durchs Universum rasen

Hätten diesen Zug
längst verpasst

Blieben in Bahnhöfen hängen

Verlorene obdachlose

Propheten des Herzens

Kairos und Kronos

Die meisten Menschen nehmen an, dass die Konsensusrealität - das heißt die Welt der menschlichen Kontakte, der linearen Zeit, des Raumes und der Materie - wichtiger ist als Träume und die Erfahrung von Tendenzen. Vielleicht erinnern Sie sich, einmal über einen Traum gesprochen zu haben, als sei er imaginär, obgleich diese „imaginären“ Traumräume und Traumzeiten erschreckend oder hinreißend „real“ sein können. Der Übergang zwischen den verschiedenen Welten und Dimensionen ist manchmal verwirrend. Zum Beispiel spricht eine Person, die aus dem Koma erwacht, als befände sie sich in einem Traum. Medizinisches Personal wird die andauernde traumhafte Kommunikation wahrscheinlich als pathologisches Ereignis betrachten.

Wie die meisten inneren Erfahrungen besitzen die subjektiven Erfahrungen des Körpers einen anderen Zeitverlauf als die Geschwindigkeit der Konsensusrealität - die Geschwindigkeit, mit der sich eine Uhr bewegt. Sie können den Unterschied fühlen. Drängt Ihr Alltagsverstand Ihren Traumkörper in Richtungen, in die er nicht gehen will, bringt der Körper eine Art Stressreaktion hervor, eine innere Rebellion gegen die Alltagszeit.

Führt, der chronologischen Zeit zu folgen, Sie zu weit von Ihrem Körpergefühl oder Ihrer propriozeptiven Zeit weg, kann die Form Ihrer Rebellion vielleicht eine „Erkältung“ oder „Grippe“ genannt werden. Im Gegensatz zu einem gewöhnlichen Bewusstseinszustand fügen sich in einem taoistischen Bewusstseinszustand die Tätigkeiten der Realität und die Erfahrungen des Traumkörpers nahtlos zusammen. Das Tao erinnert mich an das alte griechische Konzept des Kairos.

Im antiken Griechenland (ebenso wie in anderen Teilen der Welt) versammelten sich die Fischer jeden Morgen im Hafen und dachten bei einem Frühstück darüber nach, ob der Kairos - das heißt der richtige Moment - zum Fischen gekommen war. Kairos wahrzunehmen bedeutete, das Wetter und irrationale Erfahrungen als eine Quelle der Führung wahrzunehmen, wenn es darum ging, zu beurteilen, ob günstige Umstände vorhanden waren oder nicht. Wenn der Kairos gegenwärtig war, gingen die Fischer an die Arbeit. In jenen Tagen und in jenem Land war Kairos im Wesentlichen multidimensionale Wahrnehmung - Teil der Konsensusrealität. Heute bedeutet Konsensusrealität, Kronos, dem Gott der linearen Zeit zu folgen: „Triff eine chronologische Verabredung und halte sie ein, ob dein Körper zustimmt oder nicht!“

Diese beiden Arten von Zeit, die wir mit Realität und Nicht-Konsensusrealität assoziieren, Kronos und Kairos, existieren Seite an Seite. Kairos-Zeit ist wie die Spürerfahrung oder Körperzeit. Sie ist nicht besser oder schlechter als die chronologische Zeit; sie ist einfach ein „Hyperraum“, das heißt ein anderer Raum jenseits der vertrauten drei oder vier Dimensionen des Alltagslebens.

Was ich Lebensstile der Regenbogenmedizin nenne, unterstützt die Wahrnehmung der verschiedenen Realitäten, Räume und Zeiten. Ihr Bewusstsein zu schulen, um in traumartige Zustände einzutreten oder „luzider“ zu werden, ermöglicht Ihnen, Ihre subtilsten Körperzustände wahrzunehmen, zu erfahren und ihnen zu folgen, während Sie die Alltagswelt zu schätzen wissen. Mit Übung darin zu bejahen, was Sie erfahren, füllt sich das Leben mit multiplen Realitäten. Luzidität und Alltagsbewusstsein erlauben Ihnen nun, die der Konsensusrealität zugehörigen Dimensionen eines Symptoms wie den Druck oder die Veränderung Ihrer Körpertemperatur zu verstehen, während Sie gleichzeitig andere Dimensionen erfahren - vielleicht die „Monster“ und „Geister“ oder die speziellen Kräfte und subtilen Gefühle des Traumzustandes. Auf diese Weise verspüren Sie vielleicht pochende Kopfschmerzen und visualisieren gleichzeitig einen tanzenden Schlagzeuger, der ein „Pochen“ erzeugt, um Sie dazu zu bringen, sich zu entspannen und in eine Trance zu gehen. Der Trancezustand ist ein Hyperraum, der die Kopfschmerzen vielleicht auflöst. Auf diese Weise kann ein Symptom seine eigene Medizin sein. Anders ausgedrückt, Hyperräume lösen Probleme im gewöhnlichen Raum und in der gewöhnlichen Zeit.

Höhere Dimensionen - Hyperräume - sind wichtig für Psychologie und Medizin. Für gewöhnlich denken wir über uns selbst als bloß dreidimensionale Wesen und identifizieren uns auch so. Wir haben nicht einmal ein vierdimensonales Bild von uns, denn wenn dem so wäre, würden wir uns als einen sich bewegenden Prozess betrachten, der sich durch Zeit und Raum hindurch ausdehnt. Anstatt in den Spiegel zu blicken, um zu sehen, wie wir aussehen, würden wir sagen: „Ach, der Spiegel ist lächerlich. Er zeigt mir nur eine dreidimensionale Ansicht von mir. Ich bin vierdimensional! Ich bin nicht das Bild, das ich zu einer bestimmten Zeit und an einem bestimmten Ort sehe.“

Arnold Mindell Quantengeist und Heilung

How to Walk on the Earth

Relationship issues are the microcosm of world issues. Everyone, everywhere seems to suffer from similar relationship problems in pairs, teams, and groups. At one time or another, most feel unappreciated. Many people are bothered by competition and jealousy, revenge and aggression. And although people are aware of feeling victimized by another or a group, few are aware of being an oppressor. In a way, the human world is characterized by victimhood; virtually everyone denies being an oppressor.
Relationship problems are legion; they take up much of our personal lives and historical past and present. Why is it somehow easier to figure out how to walk on the moon than it is to walk on the earth and resolve an issue with an old friend or relative? There are, of course, as many answers to this question as there are people. But one answer seems outstanding. In working on the moon project, we experience ourselves as outside the moon or on a spaceship. On the other hand, while working on relationships, we experience ourselves as inside and miss the potential for detachment from our perspective. The alternative? We need to recognize our feelings of love, hate, rejection, abandonment, revenge, hurt, and anger — and find a third viewpoint that allows us enough detachment to respect the feelings and stories of others.

Beziehungsthemen sind der Mikrokosmos der Weltthemen. Jedermann, überall scheint als Paar, Team und Gruppe an ähnlichen Beziehungsproblemen zu leiden. Ab und zu fühlt sich jeder nicht geachtet oder gewürdigt. Viele fühlen sich bedroht durch Wettbewerb und Eifersucht, Rache und Aggression. Und obschon die Menschen sich ihrer Gefühlen bewusst sind, Opfer durch andere oder Gruppen zu sein, sind sich nur wenige ihrer Täterseite bewusst. Im Grunde könnte man die Menschheit charakterisieren als opferidentifiziert; eigentlich verleugnet jeder seine eigene Unterdrückerseite.
Beziehungsprobleme sind Legion, sie nehmen viel Raum ein in unserem privaten Leben, wie auch in der Vergangenheit und Gegenwart der Geschichte. Weshalb scheint es irgendwie einfacher, sich vorzustellen, wie man auf dem Mond spaziert, als auf der Erde einen Konflikt mit einem alten Freund oder Verwandten zu lösen? Es gibt gewiss so viele Antworten auf diese Frage wie es Leute gibt. Jedoch scheint eine Antwort bemerkenswert: Wenn wir uns mit dem Mond befassen, erleben wir uns als ausserhalb des Mondes oder auf einem Raumschiff. Wenn wir uns jedoch mit Beziehungen befassen, dann erleben wir uns als drinnen und vermissen die Möglichkeit, sich von unserer Sichtweise zu lösen. Die Alternative? Wir müssen unsere Gefühle von Liebe, Hass, Abweisung, Verlassenheit, Rache, Verletzung und Wut anerkennen - und einen dritten Gesichtspunkt finden, der es uns erlaubt, genug Abstand einzunehmen und gleichzeitig die Gefühle und Geschichten der anderen zu respektieren.

Arnold Mindell Earth-Based Psychology

Tausend Leben

Ein Leser durchlebt tausend Leben, ehe er stirbt. Der Mensch, der nie liest, lebt nur sein eigenes.

George R.R. Martin Das Lied von Eis und Feuer/Der Sohn des Greifen

Abendlied

Ich sitze auf dem Balkon
den makellosen Spiegel
des Abendhimmels
im Gesicht

Während noch
ein paar Mauersegler
im Abendlicht
hin- und herschwingen

Und sich irgendein
unermüdliches Insekt
an den rosa Oleanderblüten
zu schaffen macht

Denke ich an dich
irgendwie leicht
und doch auch müd
vom Tag

Und weiss
dass das Lied der Amsel
auf dem Schornstein gegenüber
ganz dir gewidmet ist

An Hundstagen

An Hundstagen
liegen Hunde
dumm herum

Und Buschwindröschen
sehnen sich
nach Blütenköpfen

Ihr Zittern
ging verloren
im Frühlingswind

Und wurde wieder gefunden
im Liderflirren
träumender Hunde

Ein Mensch ist ein Teil des Ganzen

Ein Mensch ist ein Teil des Ganzen, das wir ,das Universum’ nennen, ein in Raum und Zeit begrenzter Teil. Er erfährt sich selbst, seine Gedanken und Gefühle als etwas vom Übrigen Getrenntes - eine Art von optischer Täuschung seines Bewusstseins. Diese Täuschung ist eine Art Gefängnis für uns, das uns auf unsere persönlichen Wünsche und die Zuneigung für ein paar uns nahestehende Menschen begrenzt. Unsere Aufgabe muss es sein, uns aus diesem Gefängnis zu befreien, indem wir den Wirkungskreis unseres Mitgefühls erweitern, um alle lebenden Kreaturen und die gesamte Natur in ihrer Schönheit einzuschließen.

Albert Einstein (Zitat aus Debbora Dudas Buch Coming Home)

Diebinnen der Liebe

Der Tag sagt, dass er noch zu haben sei
zu einem Preis, den zu zahlen
du nicht bereit bist
Am Morgen hat dich im Spiegel
ein Augenblick von Bedeutungslosigkeit erhascht
Und jetzt ziehst du durch die Gassen der Stadt
Flüchtling deines Herzens
Fliehst vor dessen Schlägen
und die Diebinnen der Liebe fliehen vor dir

In den Schrebergärten schreien die Schnecken
und in den Parks der Botschaften
duften die Rosen
Einsam blüht die Blume des Lebens
und verschlingt die Fliegen
die pralle Müllsäcke umwerben
Dann macht sie sich an den Rest des Tages
den zu verspeisen, du nicht gewagt hast
und die Diebinnen der Liebe speisen mit ihr

Die Blume wächst in deinem Herzen
das so gewöhnlich ist
wie ein tönerner Blumentopf
Du hast deine Geschichte verloren
Sie liegt irgendwo im Müll
von all dem, was nicht gesagt werden kann
Sommer heisst der Tag, und selbst Polizisten im Dienst
überfallen die Dielen und stehlen das goldene Eis
und die Diebinnen der Liebe stehlen mit ihnen

Und du kannst nicht anders
als die zahllosen Kaugummimuttermale
zärtlich anzusehen
die sich über die asphaltische Haut der Erde legen
Sie weisen dir den Weg wie Kinderzeichnungen
der abertausend Augen Gottes
Und da das alles ist, was ist
kommen die Kellerkinder ans Licht
und die Diebinnen der Liebe sehnen sich für dich

Und alles, was du noch bist
ist das, was du einst warst
in dieser angehaltenen Welt
die so satt in deine Handfläche passt
Du triffst auf das Mädchen mit den traurigen Brüsten
das dir Tränen weint von Milch
Und im Gasthaus Zum träumenden Hund fällt
der blaue Regen, fällt
an die zitternden Fenster
und die Diebinnen der Liebe fallen mit dir

Mit dem Herzen sehen

Für Liupiu

Es ist Abend, und bevor der Tag zu Ende geht, möchte ich ihm eine Fussnote aufdrücken. Die Sonne sinkt direkt vor meinem Gesicht; ihr sterbendes Licht fällt mir in die Augen. Ein zirpender Schwarm Mauersegler erntet den fast nackten Himmel nach Mücken ab. Das Klagen einer Möwe bringt den Geruch von Meer her und streut ihn wie Salz in mein von Sehnsucht verwundetes Herz. Vor einigen Tagen hat Liupiu geschrieben "vom Licht, das jedem den Weg in die Herzen anderer weist". Ich habe diesen Satz heute Morgen gelesen, und seitdem trage ich ihn im Herzen mit. Mika liegt auf dem warmen Balkonboden und jagt still und zuckend durch wilde Wolfsträume, worin ich wahrscheinlich auch eine kleine Rolle habe. Die Wärme der sinkenden Sonne ist immer noch erstaunlich in meinem Gesicht. Meine Füsse schmiegen sich an die filigran geschwungenen Eisenbeinen des grünen Gartentischchen. Jetzt bricht die Sonne über dem First des Nachbardaches; angenehm kühle Luft flutet in mein Gesicht; und ich geniesse diese Sinneswahrnehmung fast mit Lust. Die Kinderstimmen von der Strasse unten kommen mir vor wie ein Blumenreigen. Einer Amsel ängstigendes Kreischen holt mir das Bild des rotgetigerten Katers der Nachbarn in den Sinn, der als Fittester noch die Quartierstrasse regieren würde, hätte ihn nicht gerade in diesem Augenblick Mika in seinem Traum zu Tode gebissen. Höher hebt sich der Schwarm der Mauersegler in den sich weitenden und blauenden Abendhimmel; und das Licht der Sonne entzündet die Ränder der langsam segelnden Wolken. Ein kurzer und voller Gesang einer Amsel beglückt mein Herz. Ich fühle mich dankbar, dass es sich langsam zu öffnen scheint, und dass das in meiner Jugend rätselhafte mit dem Herzen sehen allmählich zu einem alltäglichen Ereignis wird.

5.7.16

Wenn du den Wolf schützt

Je mehr ich über den Wolf erfuhr, desto klarer wurde mir, dass er für den Naturschutz eine Schlüsselfunktion hat. Wenn du den Wolf schützt, bewahrst du alles, was in der Evolution unter ihm steht; und indem du ihm seinen Lebensraum sicherst, nützt du auch dem Menschen.

Hélène Grimaud