Noam und der achte Welpe

Gestern sind es 11 Wochen her, seitdem Kaya die sieben Welpen gewölft hat. Und Noam ist letzten Sonntag als Dritter abgewandert. Höchste Zeit also, dem lieben kleinen Noam etwas nachzuschreiben. Und über Noam schreiben, heisst auch, die Geschichte des achten Welpen zu erzählen und ihn dabei einwenig zu inkarnieren.

Noam ist der Vierte in diesem Siebner-Wurf. Der erste der hellfelligen Beiden, die von der schönen Siberian Husky Grossmutter Enja die Light Red Fellfarbe geerbt haben. Er kam halb 11 morgens zur Welt, fast 1 1/2 Std nach Tikaani, dem ersten Welpen. Nach ihm kam wie immer die Nachgeburt, dann wurde aber noch etwas ausgestossen, eine Art Klumpen, der wie eine zweite Nachgeburt aussah. Er wurde wie die Nachgeburt sofort von Kaya aufgefressen, so dass wir nicht genau herausfinden konnten, was es war.

Im Ultraschall, den wir am 30. Tag der Trächtigkeit machen liessen, wurden von dem erfahrenen Tierarzt mindestens 8 Früchte gezählt, und er hat zweimal nachgezählt. Wir mussten also mit einem grossen Wurf rechnen. Meist ist es ja so, dass einige Welpen mehr gewölft werden, als im Ultraschall entdeckt. Diese zu erwartenden mindesten 8 Huskywelpen machten uns gewaltige Sorgen. Der Gedanke, wie wir gute Plätze finden könnten für so viele Huskys, die als nicht einfache Hunde gelten, und zudem ohne die Unterstützung eines Stammbaums, führte bei mir zu einigen schlaflosen Nächten, in denen sich die Ängste teilweise sogar in panikartige Zustände steigerten, etwas, was ich schon lange nicht mehr erlebt hatte. Die Zahl 8, die, umgelegt, sich ins unbegreifbare Monster der Unendlichkeit verwandelt, begann mich in den Träumen zu verfolgen und löste alte Überflutungsgefühle aus.

Es kam sogar soweit, dass ich ernsthaft überlegte, ob es nicht in unsere Verantwortung gehöre, die Hälfte des Wurfes gleich nach der Geburt zu töten. Doch diese grausame und verzweifelte Vorstellung konnte mich verständlicherweise auch nicht beruhigen und bildete nur weitere sorgenschwere Gedankenwolken.

Am 24. März, also etwa zwei Wochen vor dem Wurftermin, kam mir dann abends in der Badewanne in einem entspannten Zustand die Idee, einen Blog zu starten. Der könnte mir helfen, die Welpen an verantwortungsvolle Menschen zu vermitteln. Bekräftigt wurde die Idee durch einen Eintrag, den ich an dem Abend auf Safi Nidiayes Webseite fand. Dort beschreibt sie in einem inneren Dialog, wie sie dazu fand, trotz Widerständen, einen Blog zu beginnen:

https://safinidiaye.de/2014/08/04/wie-es-zu-diesem-blog-kam/

Ich telefonierte am gleichen Abend mit Miguel, einem meiner besten Freunde, der sich im Konstruieren von Webseiten sehr gut auskennt. Er sagte mir seine Hilfe zu.
Und in dieser Nacht träumte ich dann einen Traum, der mir deutlich grünes Licht gab:

Ich bin an einer Party im ersten Stock in einer grossen Wohnung. Obschon es wild und chaotisch zu und her geht, sitzen die Partygäste, meist junge Leute, ganz ruhig und still auf ihren Stühlen und haben die Augen geschlossen, als wären sie tief versunken am Meditieren. Ab und zu steht einer auf und holt sich etwas zu trinken. Miguel, der im wirklichen Leben Meditationslehrer ist, ist auch im Raum und leitet die Gruppe.
Ich gehe dann in die Stadt hinaus, weil ich etwas holen muss. Als ich in der Dunkelheit der Nacht zur Partywohnung zurücklaufe, ist hinter mir ein junger Mann mit weissem Headset laut am Telefonieren. Ich höre, dass er mit jemandem spricht, dem es sehr schlecht geht. Er versucht diesem zu helfen, aber ist zugleich klar und abgrenzend, wenn es ihm zuviel wird.
Ich komm dann wieder in den Hauseingang zum Lift, der in die Partywohnung hinaufführt. Dort drücke ich den grün leuchtenden Knopf des Liftes. Der Hauseingang ist ziemlich voll frischem Abfall. Bevor ich in den Lift steige, werfe ich meinen Kaugummi auf den Boden des Hauseingangs zu den anderen Abfällen, mit leicht schlechtem Gewissen, aber im Bewusstsein, dass ich keinen anderen Ort habe, ihn zu entsorgen. Als die Lifttür schliesst, sitzt ein grosser terrierartiger Hund da mit langem zottigen braun-schwarzem Fell und schaut mich mit seinen dunklen Augen liebevoll an. Ich denke: Wau, super, darüber kann ich jetzt grad im Blog schreiben…

Der Hund im Traum sah aus wie ein Airedale Terrier. Am nächsten Tag googelte ich, ob es in der Literatur einen solchen Hund gibt, und stiess auf den Serienfilm Der elektronische Doppelgänger, ein sowjetischer Kinder-Spielfilm aus dem Jahr 1979. Im 3. Teil mit dem Titel Der Junge mit dem Hund kommt der Roboterhund Ressi vor, der durch einen Airedale Terrier gemimt wird.

Unterstützt von Miguel und dieser im Untergrund wirkenden Kraft des Traummachers kam es tatsächlich dazu, dass ich am 9. April, am Tag von Kayas Wölfen, den ersten Blogeintrag veröffentlichen konnte.

Und fortan wächst dieser Blog schnell, er wurde lebendig, stark und kräftig wie unsere Welpen jetzt, und erfüllt mich mit so viel Lebenskraft und Freude, wie ich sie derart konstant und bewusst noch nie erlebt habe. Ich realisiere zunehmend, wie passend diese Form des Ausdrucks für meine jahrzehntelang blockierte kreative Energie wurde. Endlich konnten meine Geschichten, meine Gedichtchen, die Phantasien, die Kopf- und Herzensspielereien, die Lebenseinsichten und sogar meine alten Bilder, all das, was in mir drin schon lange auf öffentliches Tageslicht hungerte, eine gute Bühne finden.

Die moderne Kunstform des Blogs (gilt er überhaupt als Kunstform?) zwingt mich, diszipliniert zu arbeiten - schliesslich will ich mich nicht mit allzu Fehler- oder Mangelhaftem vor den Augen der vielleicht nur wenigen, meist befreundeten Menschen, blamieren, die ab und zu einen Blick hinein werfen. Gleichzeitig ist diese Form aber viel flexibler zu handhaben als ein Buch; ich kann jederzeit wieder an dem Geschriebenen korrigieren, feilen und umschreiben, was ich auch fleissig tue. Und nicht zuletzt ist sie mir sympathisch, da sie keine grossen Kosten abverlangt und meine Kreationen als Geschenk in die Welt verschickt. Die Menschen, die sich davon angesprochen fühlen, können es auch leicht über das Smartphone lesen, und für die anderen geht der Knopfdruck, den es braucht, um ihn ins persönliche virtuelle Nirvana zu befördern, um einiges leichter von der Hand, als ein gekauftes Buch wegzulegen.

Kaya warf uns am 9. April die heilige Sieben in die Hände, diese Zahl, die uns die Angst nahm, keine passenden Plätze zu finden, und uns ans Heilige erinnerte, an das Ganze, an das Stimmige und Vertrauensvolle, nicht ohne uns zuerst mit der Verheissung der Acht arg an die Grenze gebracht zu haben. Und an dieser Grenze geschah dann das Neue. Der im Ultraschall gezählte achte Welpe wurde wahrscheinlich nicht voll entwickelt und nach Noams Geburt als Klumpen ausgestossen. Wie ich bei Eberhard Trumler gelesen habe, können Hunde ihre Früchte auch viel später noch zurückentwickeln und ausstossen, wenn die Umstände ungünstig sind.

Später forderte Noam von uns noch eine weitere ziemlich schwierige Auseinandersetzung ab. Die Leute, die sich als erste für Noam interessierten, waren zwar sympathisch, lösten in uns aber keine guten Gefühle aus, was die Fähigkeit zu klarer Führung von Hunden anging. Wir waren eine Zeitlang in einem groben Konflikt gefangen, ob wir ihn trotz ungutem Bauchgefühl dort hingeben sollten. Es löste sich dann von allein, das heisst die Interessenten zogen sich zurück, und er fand zwei Stunden später diesen ganz wunderbaren Platz, an dem er jetzt glücklich ist, das heisst bereits stubenrein und ohne Anzeichen von Heimweh.

Noam
Du
Mit dem sandsteinfarbenen Löwenherz
Und den hellen Bernsteinaugen Deiner Mutter
Ich danke Dir
Du trugst mir
Mit Deinem Doppelgänger
Die Freude wieder ins Leben
Die Lebensfreude
Die Alte Freude
Die Hebräische Freude
Die Freude an der Schöpfung
Die Freude an der Kreation
Du kamst aus der Tiefe
Und ich weiss
Dass Du
Viel mehr weisst
Als wir
Und nur so tust
Als wüsstest Du nicht
Um uns
Herausfinden zu lassen
Wie wir
Wirklich wissen
Und dass wir
Auch tief wissen
Wie Du
Mit Deinem goldenen Wesen
Hilfst Du uns
Bei dieser schwierigen Aufgabe
Dieses Wissen wieder zu heben
Und mit Hilfe unseres Verstandes
Zu reflektieren
Zu gestalten
Und zu inkarnieren

In deinem Gesicht ist das Licht

In deinem Gesicht
ist das Licht
Und mit deinem Gesicht
bist du das Licht
Ein dunkles Monster
lehrt dich das
Es ist dein Meister

 

In einer wilden und hügeligen Landschaft: Wir entdecken grosse, wilde Tiere; da ist zum Beispiel eine Wildsau mit ihren Frischlingen, die aber auch gewaltig sind; und auch andere urtümliche, menschtierartige Wesen kommen plötzlich aus ihren Verstecken. Ich fürchte mich einwenig und versuche mich deshalb unscheinbar zu verhalten. Plötzlich kommt so ein Ungeheuer auf mich zu und packt mich. Doch zu meinem Erstaunen zeigt es mir, wie ich mit meinem Gesicht das weisse Licht aufnehmen kann, indem ich mein Gesicht danach richte und es aufsauge…

Mitten in dieser Nacht nach diesem Traum, ziemlich genau bei Vollmond, weckt mich Kaya und will raus - was ganz unüblich ist.

 

Antonio Saura - Goyas Hund http://www.tagesanzeiger.ch/kultur/kunst/Goyas-kecker-Hund/story/11895659