Kol Nidre

 

כָּל נִדְרֵי וֶאֱסָרֵי וּשְׁבוּעֵי וַחֲרָמֵי וְקוֹנָמֵי וְקִנּוּסֵי וְכִנּוּיֵי, דְּאִנְדַרְנָא וּדְאִשְׁתַּבַּעְנָא, וּדְאַחֲרִימְנָא וּדְאָסַרְנָא עַל נַפְשָׁתָנָא. מִיּוֹם כִּפּוּרִים זֶה עַד יוֹם כִּפּוּרִים הַבָּא עָלֵינוּ לְטוֹבָה. בְּכֻלְּהוֹן אִיחֲרַטְנָא בְהוֹן, כֻּלְּהוֹן יְהוֹן שָׁרָן, שְׁבִיקִין שְׁבִיתִין בְּטֵלִין וּמְבֻטָּלִין, לָא שְׁרִירִין וְלָא קַיָּמִין. נִדְרָנָא לָא נִדְרֵי וֶאֱסָרָנָא לָא אֱסָרֵי וּשְׁבוּעָתָנָא לָא שְׁבוּעוֹת.

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Kol Nidrej ve esarej, uschevu'ej, va charamej, ve konamej, ve kinusej, ve chinujej, dinedarena ude’ischtaba’na ude’acharimna ude'asarna al nafeschatana. Mi Jom Kippurim zeh ad Jom Kippurim habah alejnu le’tovah. Bechulhon icharatna behon, kulhon jehon scharan. Schewikin. Schewitin. Betejlin umevutalin. La scheririn ve la kajamin. Niderana la nidrej ve esarana la esarej. Uschvu’atana la schevuot.

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Alle Gelübde, Verbote, Bannsprüche, Umschreibungen und alles was dem gleicht, Strafen und Schwüre, die ich gelobe, schwöre, als Bann ausspreche, mir als Verbot auferlege von diesem Jom Kippur an, bis zum erlösenden nächsten Jom Kippur. Alle bereue ich, alle seien ausgelöscht, erlassen, aufgehoben, ungültig und vernichtet, ohne Rechtskraft und ohne Bestand. Unsere Gelübde seien keine Gelübde, unsere Schwüre keine Schwüre.

Kol Nidre (aram.: כָּל נִדְרֵי „alle Gelübde“) ist eine formelhafte Erklärung, die vor dem Abendgebet des Versöhnungstages (hebr. Jom Kippur) gesprochen wird. Nach dieser Erklärung wird häufig das gesamte Abendgebet an Jom Kippur benannt.

Ein kleiner Vogel der Weisheit

If you want your life to truly transform, you do this by just staying with the mess. You stay in it. A lot of practice is just sheer persistence and patience with the confusion. And if you are patient, it’s as if, in the midst of being in this messy room of your life, you notice you’ve left the window open, and in comes a little bird of wisdom. It won’t stay long, at first. Maybe it just appears at the window, chirps, and flies away. But if you stay still and patient, it returns. If you’re hospitable, it might even come and live with you once in a while, for a week or so. And you get a different look at your life.

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Wenn du willst, dass sich dein Leben wirklich verändert, dann tu das, indem du einfach in dem Chaos bleibst. Du bleibst darin. Ein großer Teil der Übung besteht einfach in schierer Beharrlichkeit und Geduld mit dem Durcheinander. Und wenn du geduldig bist, ist es, als ob du mitten in diesem chaotischen Raum deines Lebens bemerkst, dass du das Fenster offen gelassen hast, und ein kleiner Vogel der Weisheit kommt herein. Zuerst bleibt er nicht lange. Vielleicht taucht er nur am Fenster auf, zwitschert und fliegt wieder weg. Aber wenn du ruhig und geduldig bleibst, kommt er zurück. Wenn du gastfreundlich bist, kommt er vielleicht sogar ab und zu und wohnt eine Woche oder so bei dir. Und du bekommst einen anderen Blick auf dein Leben.

Joko Beck Ordinary Life

Die Ozeanwiege von Tod und Geburt

Der gleiche Strom des Lebens, der Tag und Nacht durch meine Adern fließt, fließt durch die Welt und tanzt in rhythmischen Maßen.

Es ist das gleiche Leben, das freudvoll durch den Staub der Erde schießt in losen Gräsern und ausbricht in rauschenden Wogen von Blättern und Blumen.

Es ist das gleiche Leben, das in der Ozeanwiege von Tod und Geburt geschaukelt wird wie Ebbe und Flut.

Rabindranath Tagore

Aiaia und Himalaja

…die Buechli-Reisen sind das Wunderbarste und Zauberhafteste, das es gibt in meinem Leben, und mehr kann ich immer weniger sagen, ausser dass das Buechli ein riesiger Zauberberg sei, hoch wie der Himalaja, der aus dem Meer des Träumens ragt und tief wie die Insel Aiaia, von wilden Eichen und Eiben überwachsen, wo Kirke mich empfängt mit wilden Wölfen und Löwen und tanzenden Feuerzungen schwarzer Leoparden…

DU

 

You do not heal 'from' trauma.
You find healing 'in' the trauma.
You find yourself present
at trauma's sacred core.
You find The One.
The One who is always present.
The One who can bear
even the most intense feeling states.
And survive.
The Indestructible One.
The Infinite One.
The Powerful One.
YOU.
*
Du heilst dich nicht 'vom' Trauma.
du findest Heilung 'im' Trauma.
Du findest dich selbst gegenwärtig
im heiligen Kern des Traumas.
Du findest den Einen.
Den Einen, der immer gegenwärtig ist.
Den Einen, der selbst
die intensivsten Gefühlszustände ertragen kann.
Und überlebt.
Der Unzerstörbare.
Der Unendliche.
Der Mächtige.
DU.
Jeff Foster

Glücklich

Der Mensch ist unglücklich, weil er nicht weiss, dass er glücklich ist; nur darum. Das ist alles, alles! Wer das erkennt, der wird sogleich glücklich, augenblicklich.

Dostojewski Die Dämonen

Einige Bemerkungen des Malers zu seiner ersten Ausstellung

Was mich bei allen Bildern zutiefst interessiert: Das Spiel der Gegensätze innerhalb ihrer Ganzheit. Der Malakt selbst ist vollständig durchtränkt von der Sehnsucht, die Gegensätze in ein Ganzes zu bringen. Ja, im Grunde ist jedes Beenden des Bildes ein Erlebnis dieser Ganzheit.

Lassen Sie sich bitte von der manchmal aufdringlichen Körperlichkeit meiner Bilder nicht in die Irre führen: Wenn Zeus im Körper eines Schwanes Leda verführt, so hat das auch aus heutiger Sicht nichts mit Pornografie zu tun. Diese vordergründige, reale Körperlichkeit in meinen Bildern ist nicht die Wand, die das Ende des Schauens bedeutet, sondern die erste Stufe einer Treppe, die zum Schritt einlädt in die geistig-symbolische Ebene. Bilderanschauen kommt nicht ganz ohne Anstrengung aus, auch wenn es nur darum geht, den Fuss zu heben.

Ich fühle tiefe Verwandschaft mit allen Primitiven der Kunst, mit den grossen der Art Brut, vorab Aloise und Wölfli, die für ihr Schaffen am meisten zahlten; mit den wenigen, vom Kunsthandel unverdorbenen Naiven, v.a. ihrem Vater Rousseau, dem Zöllner an der Grenze zum Paradies; mit den Kinderzeichnungen, den namenlosen Ex Votos und den in ihrer Schönheit unerreichbaren Bildern der Romanik und Gotik.

Eine chassidische Legende sagt, dass der Messias schon lange wartet vor den Toren Roms - als Bettler.

Ich habe Verständnis, dass man in der Nähe einiger meiner wichtigsten Bilder Mühe haben kann, den Schlaf zu finden. Amüsanterweise träumen gerade die Menschen mit den hübschesten Bildern in der Wohnung die schrecklichsten Dinge.

Die Zeiten haben sich geändert. Wir haben den Drachen besiegt, geschluckt, verdaut und kämpfen nun zu unserer grossen Verwunderung mit unserem Kot. Ich halte dies trotzdem für einen beachtlichen geistesgeschichtlichen Fortschritt: Der einst fernab in irgendeinem verwunschenen Märchenwald hausende Drache hat unverkennbar eigenen Geruch angenommen. Allerdings habe ich beim Malen mit Entsetzen erfahren müssen, dass die gesammelten Kräfte aller Don Quichottes, Heiligen Michaels und Heiligen Georgs nicht genügen, um diesen Kampf zu beenden. So ist dieses Bild nur aus Unvermögen beendet worden und insofern Täuschung.

Schade, dass die wenigsten Leute beim Bilderschauen kauen. Die Bilder würden ganz bestimmt bekömmlicher. Nichts beherrschen wir heute besser, als Bilder zu schlucken. Es hat sich in unseren Seelen gar ein neuartiges Organ gebildet: eine Art Seitenumfahrung des Magens, die es erlaubt, Bilder so unberührt hinausplumpsen zu lassen, wie sie hinein gelangt sind. Deshalb ist es ganz gut, dass manchmal Bilder gemalt werden, die in den falschen Hals geraten. Manchmal ist gerade der falsche Hals der richtige.

Malen ist ein empfindlicher Balanceakt zwischen Stürzen und Aufrechtstehen, also nicht vergleichbar einem Seiltänzer im Gleichgewicht auf dem Seil, sondern vergleichbar einer Unwirklichkeit, worin man ständig vom Seil stürzt und dennoch aufrecht geht.

Über Wunden geschieht der Zugang in die Tiefe. Sie sind die Tore der Seele. So verwundbar bleiben wie Adam und Eva im Augenblick ihrer Vertreibung!

Ich stehe zu einer Malerei des Nicht-Könnens. Gerade in den Fehlleistungen des
Ich-Bewusstseins dringt die Vision aus der Tiefe.

In gewisser, geistiger Hinsicht halte ich den Menschen für nicht viel reifer als ein Spermium, von einem im Patriarchat vereinsamten Gott hinausgeschleudert, voll Sehnsucht, mit der Eizelle wieder zu einem Ganzen zu verschmelzen und neu zu erwachen.

Obschon ich meinen Ospedaletti-Bildern eine gewisse erholende Funktion beim Malen und in der Ausstellung hier zubillige, halten Sie sie bitte trotzdem nicht für Liegestühle: Es sind intime Darstellungen des manchmal zärtlichen, manchmal grausamen Liebesspiels von Land und Meer.

Form und Inhalt in einem Bilde sind Eins wie Seele und Körper im Leben. Anstatt
zu überlegen, was mit der Seele ist ohne den Körper, male ich lieber.

Je tiefer die emotionale Beziehung (Faszination) zum Bildinhalt und je intensiver das Erleben dieser Beziehung beim Malen, desto grösser ist die im Bild eingefangene Kraft.

Malen wie ein Blinder, auf eine höhere Art abwesend. Das Wesentliche beim Malen
geschieht in den blinden Augenblicken.

Ospedaletti Ligure liegt in Italien an der Riviera zwischen San Remo und der französischen Grenze. Aber meine Ospedaletti-Bilder haben mehr Ähnlichkeit mit gewissen Ecken, Winkeln und Aussichtspunkten in meiner Seele als mit diesem Städtchen am Mittelmeer.

Malen ist ein fortwährend unermüdlicher Versuch, die Balance mit der Natur im umfassendsten Sinne zu halten. So gesehen sind schlechte Bilder Umweltverschmutzung.