In meiner Brust

In meiner Brust, welche Not! Jemand klopft, klopft hinter den Rippen, klopft als wären`s Planken, Planken eines Tors, klopft um Einlass, klopft sich tot, klopft, was soll`s, klopft ununterbrochen, klopft, und die Verzweiflung schleudert seine Fäuste, klopft rasend, Tag und Nacht, klopft so, als wär Klopfen das A und O, klopft dann ruhiger, von längeren Pausen durchsetzt, die er aber nur nutzt, die Kraft seiner Schläge zu verdoppeln, um in rascher Folge zu klopfen wie kurze Atemstösse Liebender. Unermüdlich klopft er, gibt keine Ruh, hämmert die Tür, klopft wohl schon seit dreissig Jahr, klopft, wie halt ich`s nur aus! Klopft, als wär er schon von Rippen zerspiesst, klopft sich die Fäuste wund, klopft sich den Schmerz taub!
Und nur manchmal, wenn meine Seele in den Dingen ertrinkt, hör ich ihn nicht, und Ruhe täuscht mich, flüstert Frieden. Dann aber, wenn ich abends schwer und träg dem Lärm des Tages wie einem abgestandnen Bad entsteigen will: Was war das? Ich horche:
Es klopft. Hör nur, wie er wieder klopft! Wie er sein Rufen niederklopft! Wie er seine Botschaft überklopft! Wie er den Frieden erschlägt! Wie seine Fäuste niederprasseln, getrieben von der Kraft der Wahrheit! Ja! Er klopft. Er klopft noch in meinen Träumen, fliehen nützt nichts, er sucht mich in Häusern auf, klopft das verrammte Tor, klopft die versperrte Tür, klopft die verriegelten Fensterläden, klopft, dass sie bersten wollen!
Soll ich ihn reinlassen? Vom Klopfen bedrängtes Gleichgewicht! Auf der Kippe zu diesem Entschluss lebe ich. Was, wenn ich ihm die Tür öffnete? Was würd er anrichten? Er, der schlägt, als bete er an der Himmelspforte? Welche Verzweiflung peitscht ihn? Welche Not jagt ihn? Kann ich ihm nachfühlen? Ist sie auch meine? Soll ich ihm öffnen? Ihn umarmen? Wer ist`s? Wer ist`s? Mörder oder verlorner Sohn?

 

Als kleines Kind hätte ich einmal meine Mutter gefragt, was in meiner Brust so klopft. Als sie mir erklärte, dass darin ein klopfendes Herz wäre, hätte ich vor Angst geweint.

Bild: Wie es im Menschen aussieht gezeichnet im Alter von ca. 8 Jahren

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