Das Paradigma, dem ich folge, wenn ich mit Träumen oder Körperproblemen arbeite, ist, daß ich nicht weiß, was «Traum» oder «Körper» bedeutet. Wenn mir also jemand einen Traum erzählt, denke ich mir, daß das Wort «Traum» ein allgemeiner Begriff ist, der nicht mehr bedeutet als lediglich die Erfahrung eines Menschen, der schläft. So höre, sehe und fühle ich nach, um herauszufinden, was dieser individuelle Mensch vor mir mit diesem Wort «Traum» meint.
Ich beschränke meine Theorien auf ein Mindestmaß. So denke ich nicht, daß der Traum eine Kompensation ist, obwohl das meistens zutrifft; noch, daß er ein Prozeß ist, der sich ereignen will, obwohl es meistens stimmt; auch nicht, daß er das Sexuelle verdrängt, obwohl viele Träume das tun; noch daß er etwas ist, das im Hier und Jetzt geschehen will, obwohl viele Träume das sind; noch daß er die königliche Straße zum Unbewußten ist, weil auch der Körper königlich ist; noch daß man dazu assoziieren sollte, obwohl es für viele Menschen gut wäre; noch daß er spielerisch dargestellt werden sollte, obwohl viele Menschen das ganz spontan tun; noch daß er eine Botschaft von einer anderen Welt enthält, obwohl sich bei vielen Träumen zeigt, daß es tatsächlich so ist.
Ich befasse mich nicht mit den Träumen. Ich befasse mich mit den träumenden Prozessen. So bleibe ich dabei, keine Traumtheorie zu haben. Die Methode, die sich als die aufregendste, nützlichste und praktischste in der alltäglichen Arbeit gezeigt hat, ist, dem Unbekannten nachzugehen. Das positivste Feedback meiner Klienten erhalte ich, wenn ich die Worte «Traum», «Körper», «Schmerz», «Problem» oder irgend einen anderen Begriff, den ich nicht ganz verstehe, vergesse und den genauen Prozeß suche, der sich hier vor mir ereignet. Auf diese Weise arbeite ich mit einem Prozeßparadigma und nicht mit einem vorgegebenen Traumkonzept, weil solch ein Konzept normalerweise vom Körper, vom lebendigen, momentanen Unbewußten, wegführt.
Arnold Mindell Traumkörper und Meditation