Wie dieses Lied

WIE DIESES LIED

Hinter dem
geöffneten Fenster

ist soeben ein Vogel vorbei-
gefolgen

Ein ausgedienter Teddybär lebt
seit geraumer Zeit

unter dem vergilbten Foto
seines Zenmeisters

In diesem Augenblick
setzt sich eine Singdrossel

auf den Riss

in der kalkweiss
verputzten Wand

Sie sinnt
nach einem Lied

zum Ende
der Welt

Und wenn sie
dann singt

klingt's
wie dieses Lied

Das Zersplittern des Vollmonds

Foto von Miguel

Das geteilte Selbst ist das authentische Selbst. Selbstsein und nicht Selbstsein, ständiges Geteiltsein, Zersplitterung in viele Teilwesen (wie sie die Besetzung eines Traum-Dramas ausmachen): das ist authentisch. Wir haben alle Identitätskrisen, weil die Vorstellung von einer einzigen Identität eine Selbsttäuschung unseres monotheistischen Geistes ist, der sich Dionysos mit aller Kraft entgegenstemmt. Wir alle haben unser Bewusstsein auf alle Teile des Körpers ‚verstreut’, wir sind alle Hysteriker. Authentizität ist in der Illusion, wir spielen sie, sehen von innen durch sie hindurch, während wir sie spielen, wie Schauspieler, die durch ihre Maske hindurchsehen und nur auf diese Weise sehen können.

James Hillman Die Heilung erfinden

Ein Traum in Blau

EIN TRAUM IN BLAU

Nach dem Regen
ist alles blau

In einer Pfütze
spielt noch ein Traum

Es ist der Traum
einer Frau

Geträumt morgens
ungefähr um acht

Als draussen
die Luft klar war

Und an den Bäumen
jedes Blatt zählbar

Als die Irren irrten
durch die Labyrinthen der Stadt

Und gegen das Blau des Morgens
demonstrierten

Da sie glauben
immerzu unterwegs zu sein

Durch die arthritische Triumphbogen
ewig wiederkehrender Siege

Während in der Küche Alice tanzt
als kleines Mädchen

Um einen Keks:
der ist so wunderbar blau!

Und in einer dunklen Stube
ein blinder Mann endlich

Das Zählen beendet
seines Hundes sämtlicher Haare

Liegen wir noch
im Traum der Frau

In der Pfütze
wie in einer blauen Insel

Liegen dort
zufrieden zitternd

Zählen die Schritte
die in den Himmel gehen

Und ahnen
dass wir Träume sind

Die im Träumen umherzucken
wie pikareske Fische im Meer

Mögen die Tiere weiterleben wie Götter

Noch ist nicht alles verloren. Vieles kann wiedergewonnen werden, wenn auch nur für einen Augenblick. Unsere Träume lassen wiederaufleben, was die Welt vergisst. Längst vergessener heidnischer Polytheismus flackert in Tiergestalten auf. Die alten Götter sind in diesen Tieren: der keltische Hirsch und Lachs, der Bär der Wikinger, die ägyptischen Schweine, Krokodile und Katzen, die griechischen Eulen, Stiere und Böcke, die römischen Wölfe und Adler, der Be’gotcidi der Navaho. Selbst den Evangelisten Markus, Lukas und Johannes sind Tiere beigegeben: Löwe, Ochse und Adler, so wie Christus im Fisch und später im Lamm versinnbildlicht wurde. Die Götter sind noch in unseren Träumen, jenen zoologischen Kathedralen, in denen die Insekten des Beelzebub und Mephisto eine Heimat haben. Mögen die Tiere weiterleben wie Götter, lebendig, gesund und unvergessen, in den Ikonen unserer Träume und in den Obsessionen unserer Komplexe und Symptome, diesem unverwüstlichen Geziefer. Lobsinget. Gaudeamus.

James Hillman Dream Animals

Wenn das Leben ein Fundament hat

Wenn das Leben ein Fundament hat, auf dem es steht... dann steht mein Leben zweifellos auf dieser Erinnerung: Ich liege halb schlafend, halb wach im Bett, im Kinderzimmer in St. Ives. Ich höre - hinter einem gelben Rollo -, wie die Wellen sich, eins-zwei, eins-zwei, eins-zwei, brechen... Ich höre das Rollo, das seine kleine Holzeichel an der Schnur über den Boden schleift, wenn der Wind es nach außen bauscht; ich liege und höre... und ich habe das Gefühl, es ist fast nicht möglich, daß ich tatsächlich hier bin.

Virginia Woolf Eine Skizze der Vergangenheit

In den tiefen Strom der Lethe

 

Are you willing to be made nothing?

dipped into oblivion?

If not, you will never really change.

*

Bist du bereit, eintauchend in den

tiefen Strom der Lethe,

zu Nichts zu werden?

Wenn nicht, ist echte Wandlung dir verwehrt.

 

D.H.Lawrence Phoenix

Der Kosmonaut

 

You know the story of the Russian cosmonaut? So, the cosmonaut is the first man ever to go into space. Right? The Russians beat the Americans. So he goes up in this big spaceship, but the only habitable part of it it’s very small. So the cosmonaut’s in there, and he’s got this portal window, and he’s looking out of it. And he sees the curvature of the Earth for the first time. I mean, the first man to ever look at the planet he’s from. And he’s lost in that moment. And all of a sudden, this strange ticking … (tapping quietly) begins coming out of the dashboard. Rips out the control panel, right? Takes out his tools, trying to find this sound, trying to stop this sound. But he can’t find it, he can’t stop it. It keeps going. A few hours into this, begins to feel like torture. A few days go by with this sound, and he knows that this small sound will break him. He’ll lose his mind. Well, what’s he gonna do? He’s up in space, alone in a space closet. He’s got 25 days left to go with this sound. So the cosmonaut decides the only way to save his sanity is to fall in love with this sound. (Tapping continues) So he closes his eyes … and he goes into his imagination. And when he opens them … he doesn’t hear ticking anymore. He hears music. (Music playing) And he spends the remainder of his time sailing through space in total bliss and peace.

*

Kennst du die Geschichte des russischen Kosmonauten? Der Kosmonaut ist der erste Mensch, der ins All fliegt, nicht wahr? Die Russen haben die Amerikaner geschlagen. Er fliegt also in diesem großen Raumschiff, aber der einzige bewohnbare Teil davon ist winzig. Der Kosmonaut sitzt also da drin und sieht durch dieses kleine Bordfenster hinaus. Und er sieht zum ersten Mal die Krümmung der Erde. Ich meine, er ist der erste Mensch, der den Planeten sieht, von dem er stammt. Und in diesem Moment fühlt er sich verloren. Und plötzlich beginnt dieses seltsame Ticken ... (leises Klopfen) aus dem Armaturenbrett zu kommen. Er reisst das Kontrollbrett heraus, nicht wahr? Er holt sein Werkzeug und versucht, dieses Geräusch zu finden, es zu stoppen. Aber er kann es nicht finden, er kann es nicht stoppen. Es geht immer weiter. Nach ein paar Stunden fühlt er sich wie unter Folter. Ein paar Tage vergehen mit diesem Geräusch, und er weiss, dass dieses kleine Geräusch ihn zerstören wird. Er wird seinen Verstand verlieren. Aber was soll er tun? Er ist im Weltraum, allein in einem winzigen Weltraumklo. Er muss noch 25 Tage mit diesem Geräusch leben. Also beschließt der Kosmonaut, dass der einzige Weg, sich zu retten, darin besteht, sich in diesen Klang zu verlieben. (Das Klopfen geht weiter) Er schließt die Augen ... und geht in seine Imagination hinein. Und als er die Augen wieder öffnet, hört er kein Ticken mehr. Er hört Musik … (Musik spielt) Und er verbringt den Rest seiner Zeit damit, in völligem Entzücken und Frieden durch den Weltraum zu segeln.

Another Earth

Hundewaschtag

 

'Die Weisheit spricht vorrangig über Bilder', und wenn wir es zulassen könnten, uns von dem Bild leiten zu lassen, das in uns lebt, würde unsere Seele 'schlicht wie die Flamme' und unser Körper 'ruhig wie eine Achatlampe'.

William Butler Yeats in Mark Wolynn Dieser Schmerz ist nicht meiner

Wir sind natürlich in einer Lieblingsgeschichte

Die zwei Hobbits Frodo und Sam haben die düstere Gegend in den westlichen Bergen von Mordor erreicht, in der die Treppen von Cirith Ungol warten. Um ihre Angst zu bekämpfen, reden sie über ihre unerwarteten Abenteuer. Das alles spielt kurz vor dem abrupten Ende von die „Zwei Türme“, dem zweiten Teil von JRR Tolkien’s „Der Herr der Ringe“.

Samweis, dessen grössten Freuden auf Erden eine schmackhafte Mahlzeit und eine tolle Geschichte sind, sagt: „Ich wüsste gerne, ob wir jemals in Liedern und Geschichten vorkommen werden. Wir sind natürlich in einer, aber ich meine: in Worte gefasst, weisst du, am Kamin erzählt oder aus einem grossen dicken Buch mit roten und schwarzen Buchstaben vorgelesen, Jahre und Jahre später. Und die Leute werden sagen: Lass uns von Frodo und dem Ring hören und sie werden sagen: das ist eine meiner Lieblingsgeschichten."

Irene Vallejo Papyrus

Wahr muss sie doch sein…

Diese Geschichte hört sich ziemlich lügenhaft an, Kinder, aber wahr ist sie doch, denn mein Großvater, von dem ich sie habe, pflegte immer, wenn er sie behaglich erzählte, dabei zu sagen: "Wahr muß sie doch sein, mein Sohn, anders könnte man sie auch gar nicht erzählen." Und die Geschichte hat sich so zugetragen:

...

 

Gebrüder Grimm Der Hase und der Igel

Die ultimative Wahrheit

Oliver Wendell Holmes Senior once experimented with ether to try and discover ultimate truths. He wrote:

The veil of eternity was lifted. The one great truth which underlies all human experience, and is the key to all the mysteries that philosophy has sought in vain to solve, flashed upon me in a sudden revelation. Henceforth all was clear: a few words had lifted my intelligence to the level of the knowledge of the cherubim. As my natural condition returned, I remembered my resolution; and, staggering to my desk, I wrote, in ill-shaped, straggling characters, the all-embracing truth still glimmering in my consciousness. The words were these (children may smile; the wise will ponder): ‘A strong smell of turpentine prevails throughout.’

*

Oliver Wendell Holmes Senior experimentierte einst mit Äther, um zu versuchen, die ultimative Wahrheit zu entdecken. Er schrieb:

Der Schleier der Ewigkeit war gelüftet. Die eine große Wahrheit, die aller menschlichen Erfahrung zugrunde liegt und der Schlüssel zu allen Geheimnissen ist, die die Philosophie vergeblich zu lösen versucht hat, leuchtete mir in einer plötzlichen Offenbarung auf. Von nun an war alles klar: Ein paar Worte hatten meine Intelligenz auf die Ebene des Wissens der Cherubim gehoben. Als mein natürlicher Zustand zurückkehrte, erinnerte ich mich an meinen Entschluss, und als ich zu meinem Schreibtisch taumelte, schrieb ich in schlecht geformten, schwankenden Buchstaben die allumfassende Wahrheit auf, die noch immer in meinem Bewusstsein flimmerte. Es waren diese Worte (Kinder mögen lächeln, die Weisen werden nachdenken): "Es riecht überall stark nach Terpentin".

Jules Evans

Be Waves, not just Particles.

Erinnert euch, wenn wir uns mit den Themen der Vielfalt beschäftigen, vergesst nicht die Quantenebene und das 2. Training. Dort fließen wellenartige Prozesse, die das verbinden, was in der Alltagsrealität als getrennte Teile und Menschen erscheint. Wir brauchen diesen Wellenzustand, um uns nicht gegenseitig umzubringen und um nachhaltige multikulturelle Gemeinschaften zu schaffen. Seid Wellen, und nicht nur Teilchen.

Arnold Mindell The Leader's 2nd Training

Wake up

Ich will damit sagen, dass deine innere Arbeit eine andere Form der Weltarbeit ist: Wie du mit dir selbst arbeitest, ist ein Weltthema. Du leidest und/oder erfreust dich an Weltthemen. Aber alles, was du in dir selbst tust, hat Auswirkungen im Außen. Innere Beziehungsarbeit mit inneren Figuren fließt in deine äußere Beziehungsarbeit ein - und die ist Teil der Weltarbeit. Auf jeden Fall funktioniert Weltarbeit ohne innere Arbeit und Beziehungsarbeit nicht sehr gut.

Wenn du nachhaltige Lösungen willst, musst du dich mit dem "Monster" im Innern und Außen auseinandersetzen. Wenn sich dieses Monster für dich interessiert, wirst du nachhaltigere Ergebnisse und Weltbeziehungen haben.

Der erste Schritt ist, die Menschen aufzuwecken und der zweite Schritt ist, etwas in ihnen zu verstehen oder sogar zu schätzen, damit sie schließlich mit dir gehen. Schaffe Beziehung, nicht nur Krieg. Sei einseitig, und öffne dich dann.

Unser heutiges Weltparadigma ist: "Ich bin der Beste und der andere muss leiden." Arbeite deshalb in der Prozessarbeit mit den Problemen und tausche die Rollen, zumindest innerlich. Sei dir bewusst, dass die Gruppe, die du aufzuwecken versuchst, auch du sein könntest. Dann werden deine Ergebnisse nachhaltiger sein. Es passiert selten, und ich vertrete diesen Standpunkt nicht bei jedem, aber für diejenigen, die eine nachhaltigere Welt ermöglichen wollen, sind alle Schritte und Phasen wichtig.

Ein erster Schritt ist immer zu sagen: "Wacht auf!" Ein zweiter Schritt könnte lauten: "Ich bin schon da, wo du bist. Ich bin aufgewacht und ich verstehe dein Leben, also lass uns gemeinsam aufwachen!"

Arnold Mindell The Leader's 2nd Training

 

Re-member

Nach einer alten gnostischen Überlieferung erfinden wir nichts Neues -

wir erinnern uns nur.

 

Robert Bly Der Schatten: Die dunkle Seite des menschlichen Wesens